ARTISET Das Magazin der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf Im Fokus Das Leben selbst bestimmen Ausgabe 06 I 2024 Gemeinsam zukunftsweisende Ideen für Probleme im familiären Bereich entwickeln Vorschläge für die Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung und Demenz Datenbasierte Pflegeentwicklung: Drei Expertinnen berichten über ihre Erfahrungen
Zusammenarbeit Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen der Oase Gruppe und der Emeda AG? Um die ärztliche Betreuung sicherzustellen, ist es unsere Pflicht, an unseren Standorten jeweils einen «Heimarzt» an unserer Seite zu haben. Wir waren jedoch lange erfolglos auf der Suche nach Hausärztinnen und -ärzten, die unsere Oasen betreuen. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Emeda ein Glücksfall für uns. Von bald acht Oase-Standorten betreut Emeda inzwischen bereits sechs. Welche Vorteile bringt diese Zusam- menarbeit den Oase-Bewohnenden? Die Emeda-Hausärztinnen und -ärzte sowie die Pflege-Teams der Standorte haben gemeinsame Prozesse definiert und umgesetzt, um jederzeit eine qualitativ hochwertige Betreuung gewähr- leisten zu können. Die Bewohnerinnen und Bewohner schätzen diesen zuverlässigen Service sehr. Auch für die ganze Gruppe ist der interprofessionelle Ansatz ein grosser Vorteil: Wir können gemeinsam Prozesse vereinheitlichen und optimale Abläufe gestalten. Die Zusammenarbeit zwischen der Oase Gruppe und Emeda verläuft partnerschaftlich und mit demselben Ziel im Fokus: unseren Bewohnenden die bestmögliche Betreuung zu ermöglichen. PUBLIREPORTAGE Bestmögliche Selbstbestimmung auch im Alter gehört für viele zu einer guten Lebensqualität. Bei der Oase Gruppe finden ältere Menschen deshalb individuelle und für ihre Bedürfnisse stimmige Wohnformen. Von kerngesund bis zu Demenz, Alzheimer oder anderen Krankheitsbildern: Jede Bewohnerin und jeder Bewohner kann dank massgeschneiderten Wohnangeboten unabhängig des gesundheitlichen Zustands selbstbestimmt leben. Die Oase Gruppe ist ein Unternehmen, das schweizweit verschiedenste Wohnkonzepte für Wohnen im Alter, betreutes Wohnen, Pflege von betreuungsbedürftigen Personen sowie für Langzeit- und Palliativ-Pflege betreibt. Integrierte Versorgung und Gesundheitsvorsorge Wie unterstützt Emeda die Oase Gruppe bei der Gesundheitsvorsorge der Bewohnenden? Die Emeda Hausärztinnen und -ärzte besuchen uns regelmässig mehrmals pro Monat in den Standorten und führen mit dem Pflege-Team vor Ort Visiten durch. Die Ärztin / der Arzt besucht unsere Bewohnenden also persönlich und kann sich mit ihnen wie auch den Angehörigen austauschen. Doch das ist nicht der einzige Vorteil: Emeda ist für uns stets erreichbar – sei es bei Fragen oder Notfällen. Diese Sicherheit gibt uns und unseren Bewohnenden ein gutes Gefühl. Wie erfolgt die Abstimmung zwischen Ärztinnen/Ärzten und Pflege, um eine integrierte Versorgung sicherzustellen? Unser gemeinsames Pflege-Dokumentationssystem ermöglicht ein umfassendes Bild über den Zustand der Bewohnenden. Die Pflege sorgt jeweils auch für gute Verlaufsdokumentationen. Vor Visiten bereiten sich beide Teams über dieses System vor und sind dadurch stets auf dem aktuellen Stand. Welche Rolle spielen regelmässige Besprechungen und die gemeinsame Planung in dieser Zusammenarbeit? Der Austausch findet auf verschiedenen Ebenen statt und ist die Basis für unsere erfolgreiche Zusammenarbeit. Ein interdisziplinäres Team beider Unternehmen trifft sich zudem alle vier Monate, um anhand von Fallbesprechungen und Prozess-Evaluationen die stetige Weiterentwicklung sicherzustellen. Auch die Führungspersonen beider Unternehmen arbeiten regelmässig an gemeinsamen Visionen und Zielen. Interprofessionelle Zusammenarbeit in Alters- und Pflegeheimen am Beispiel der Oase Gruppe und der Emeda AG emeda.ch Emeda AG, Zürichstrasse 38, 8306 Brüttisellen, T 044 655 12 34, info@emeda.ch Wohlbefinden für Bewohnende und deren Angehörige Wie wirkt sich diese Zusammenarbeit auf Wohlbefinden und Lebensqualität von Bewohnenden, Angehörigen und Pflege-Personal aus? Dank der engen und langfristigen Zusammenarbeit kennt Emeda Werte und Vision der Oase Gruppe gut. Diese Klarheit führt zu einer sicheren und umfassenden Betreuung, die auch individuelle Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigen kann. Das fördert die Autonomie der Bewohnenden und steigert deren Wohlbefinden – was sie und ihre Angehörigen sehr positiv aufnehmen. Auch das PflegePersonal schätzt diese Klarheit und hat dank durchdachten Abläufen sowie guter Kommunikation mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner. Über Emeda Emeda AG – die Heimärzte stellt die ärztliche und pharmazeutische Versorgung in Alters- und Pflege-Einrichtungen sicher. Die persönliche Betreuung ist Emeda ein grosses Anliegen. Ihre Ärztinnen und Ärzte sind deshalb fix Alters- und Pflege-Einrichtungen zugeteilt und arbeiten im Team eng mit der Pflege vor Ort zusammen. Darüber hinaus steht Emeda den Alters- und Pflege-Einrichtungen mit einem ärztlichen Hintergrunddienst an 365 Tagen während 24 Stunden telefonisch zur Seite. www.emeda.ch Im Interview Nathalie Balcon, CEO Oase Gruppe
ARTISET 06 I 2024 3 Editorial «Alle Menschen haben ein Recht darauf, ihr Lebensumfeld selbst zu bestimmen und sich als Individuum frei zu entfalten.» Elisabeth Seifert, Chefredaktorin Liebe Leserin, lieber Leser Sie schätzen es zweifellos sehr, selbst bestimmen zu können, wo und wie Sie leben möchten. Sobald wir das Erwachsenenalter erreicht haben, gehört es zu unseren Rechten, unseren Wohnort und unser Lebensumfeld frei zu wählen. Neben einer sinnstiftenden Tätigkeit ermöglicht das Recht, unser Wohnen selbst bestimmen zu können, unser Ich auszudrücken, uns als selbstwirksam wahrzunehmen – und damit auch unseren Teil zur Gestaltung der Gesellschaft beizutragen. Dies bedeutet, dass all jene Menschen, die ihr Lebensumfeld nicht selbst bestimmen können, in ihrer persönlichen Entwicklung eingeschränkt sind. Solche Einschränkungen sind für viele Menschen mit Behinderungen – noch – eine oft lebenslange Realität. Betroffen sind aber auch betagte Menschen, die aufgrund altersbedingter Beeinträchtigungen ihr Wohnumfeld nicht mehr selbst bestimmen können. Und junge Menschen aus schwierigen familiären Verhältnissen erfahren beim Übergang ins Erwachsenenalter grosse Schwierigkeiten, sich ein selbstbestimmtes Leben samt aller Entwicklungsmöglichkeiten aufzubauen. Im Verlauf der letzten zehn Jahre, seit die Schweiz im Jahr 2014 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet hat, ist das gesellschaftliche Bewusstsein dafür gewachsen, dass alle Menschen ein Recht darauf haben, ihr Lebensumfeld frei zu bestimmen. Auch wenn einiges in Bewegung gekommen ist, gibt es noch viel zu tun, um die Postulate umzusetzen. Und zwar von allen Teilen der Gesellschaft: Aufseiten der Behörden respektive der Politik geht es darum, auf den verschiedenen Staatsebenen neue Rahmenbedingungen einschliesslich der dafür nötigen Finanzierung zu schaffen (Seite 9). Die Leistungserbringer stehen vor der Herausforderung, eine Vielfalt an Wohn- und Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen (Seiten 12, 15). Viel Mut und Engagement braucht es auch von den begleiteten Menschen, wie unsere Porträts des Ehepaars Donato Lorusso und Natascha Oberholzer aus St. Gallen sowie der beiden Careleaverinnen Celina und Thalya aus Genf zeigen (Seiten 6, 27)). All diese Bemühungen sind aber nur erfolgreich, wenn jeder und jede Einzelne offen dafür ist, das Potenzial von Menschen zu erkennen, die «anders» sind: «Die grosse gesellschaftliche Herausforderung besteht darin, verschiedene Formen der Handlungsfähigkeit zu erkennen und nicht nur jene, die produktivitäts- und leistungsorientiert ist», sagt Jean-Michel Bonvin, Professor für Sozialpolitik an der Uni Genf (Seite 20). In unserem Teil «Aktuell» möchte ich Sie auf unser Gespräch mit Jessica Schnelle, der Leiterin Soziales in der Direktion Gesellschaft & Kultur beim Migros-Genossenschaft-Bund, aufmerksam machen: So gibt es seit diesem März auch Förderbeiträge für die strategische Weiterentwicklung von gemeinnützigen Organisationen (Seite 36). Interessant ist auch zu erfahren, wie Pflegeinstitutionen seit vielen Jahren mittels medizinischer Qualitätsindikatoren die datenbasierte Pflegequalitätsentwicklung vorantreiben (Seite 32). Titelbild: Die Careleaverinnen Celina und Thalya im Theater Comédie de Genève. Im Rahmen eines Theaterprojekts verarbeiteten sie wesentliche Stationen ihres bisherigen Lebens. Foto: amn
Patronat Presenting Partner & Exklusive Partner «Best of the Best» Presenting Partner Veranstalter Produkte von Integrationsbetrieben der Schweiz. Socialstore Award 2024 Ausgezeichnete Produkte aus Integrationsbetrieben jetzt teilnehmen Die Socialstore Awards sind eine Auszeichnung für Produkte und Innovationen aus sozialen Institutionen der Schweiz. Die Preise werden in 4 Kategorien vergeben: Mitwirkung Deko & Wohnen Kinder & Spiele Firmengeschenke Teilnahmeschluss ist der 10. September 2024. Die Preisverleihung findet am 8. November 2024 anlässlich der Tagung von INSOS in der Eventfabrik Bern statt. Alle weiteren Informationen und das Teilnahmeformular auf www.socialstore.ch Die Schweiz sucht die besten Produkte aus Integrationsbetrieben 2024 Mit Publikumspreis «Best of the Best» – präsentiert von sozjobs.ch
Inhalt ARTISET 06 I 2024 5 Impressum: Redaktion: Elisabeth Seifert (esf), Chefredaktorin; Salomé Zimmermann (sz); Anne-Marie Nicole (amn); France Santi (fsa); Jenny Nerlich (jne) • Korrektorat: Beat Zaugg • Herausgeber: ARTISET • 3. Jahrgang • Adresse: ARTISET, Zieglerstrasse 53, 3007 Bern • Telefon: 031 385 33 33, E-Mail: info@artiset.ch, artiset.ch/ Magazin • Geschäfts-/Stelleninserate: Zürichsee Werbe AG, Fachmedien, Tiefenaustrasse 2, 8640 Rapperswil, Telefon: 044 928 56 53, E-Mail: markus.haas@ fachmedien.ch • Vorstufe und Druck: AST&FISCHER AG, Seftigenstrasse 310, 3084 Wabern, Telefon: 0319631111 • Abonnemente: ARTISET, Telefon: 03138533 33, E-Mail: info@artiset.ch • Jahresabonnement Fr. 125.– • Erscheinungsweise: 8 × deutsch (je 4600 Ex.), 4 × französisch (je 1400 Ex.) pro Jahr • WEMF/KS-Beglaubigung 2023 (nur deutsch): 3167 Ex. (davon verkauft 2951 Ex.) • ISSN: 2813-1355 • Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach Absprache mit der Redaktion und mit vollständiger Quellenangabe. Im Fokus 06 Zwei Pioniere: Natascha Oberholzer und Donato Lorusso aus St. Gallen 09 Hohe Dynamik in der politischen Debatte 12 Seniorenresidenz in Porrentruy: Menschen im Alter gestalten das Wohnen mit 16 Altra Schaffhausen: Die Transformation fordert die Behinderteninstitutionen 20 Selbstbestimmung geht nicht ohne Befähigung – ein Experte erklärt 24 Celina und Thalya aus Genf: Hürden auf dem Weg in die Selbstständigkeit meistern 28 Die Achtung der Individualität ist seit 100 Jahren ein Postulat der Anthroposophie kurz & knapp 30 Ein Messinstrument fürs «Gute Leben» Aktuell 32 Medizinische Qualitätsindikatoren: Drei Expertinnen erläutern ihre Arbeit damit 36 Förderbeiträge für Strategieentwicklung 40 Ein Innovation Booster nimmt sich Herausforderungen von Familien an 43 Der Wiedereinstieg in die Pflege 45 Natur und Sport geben Hoffnung 46 Menschen mit Beeinträchtigung und Demenz begleiten Politische Feder 50 Daniel Frei, Co-Präsident Artiset Zürich 12 36 50
6 ARTISET 06 I 2024 Pionierarbeit fürs Leben Nach einem Wohntraining mit Haushalts- und Finanzschulungen zogen Donato Lorusso und Natascha Oberholzer in die eigene Wohnung. Foto: Anna-Tina Eberhard
ARTISET 06 I 2024 7 Im Fokus Natascha Oberholzer und Donato Lorusso leben seit über zwanzig Jahren selbständig in einer gemeinsamen Wohnung. Sie gehörten zudem zu den ersten Mitarbeitenden des ersten inklusiven Hotels in der Schweiz. Die beiden erzählen von ihren Erfahrungen damals und heute und wie sie ihre Selbständigkeit im Alltag einschätzen. Von Salomé Zimmermann Mitten in der Stadt St. Gallen an zentralster Lage steht das Hotel Dom. Es bietet eine Arbeitsstätte für Menschen mit Beeinträchtigungen – und das seit 26 Jahren. Während das Konzept heutzutage auch andernorts verbreitet ist, war das Hotel Dom in den 90er-Jahren das erste Hotel der Schweiz mit inklusiver Belegschaft. «Es brauchte den Mut der ersten Mitarbeitenden, dieses Experiment zu wagen – ohne zu wissen, ob das Konzept funktioniert», sagt Ruth Kulcsar Meienberger, die das Hotel 1998 gründete und zusammen mit Gaby Heeb während der ersten Jahre leitete. Zwei dieser Mitarbeitenden, Donato Lorusso und Natascha Oberholzer, die zum Ursprungsteam gehörten, erzählen, wie es damals war und wie es ihnen heute geht. Ein Besuch beim Paar zuhause im Quartier Wolfganghof in St. Gallen gibt Aufschluss. Die beiden leben in einer Wohnung zusammen mit ihren beiden Wellensittichen und erzählen gern von ihren Erfahrungen. «Lustig, dass wir uns ausgerechnet heute sehen, am Abend findet nämlich wieder einmal ein Treffen der ehemaligen Mitarbeitenden vom Hotel Dom statt», merkt Natascha Oberholzer an. Sie ist sehr offen und interessiert am Weltgeschehen, denn «bei uns zuhause wurde auch viel diskutiert, mit einem Vater, der Politiker war». Sie hat auch heute noch ein gutes Verhältnis zu ihm und den Geschwistern. «Meine Eltern haben mich immer gut verstanden und mich nicht zurückgebunden», zeigt sie sich dankbar. Prominenz zu Besuch Natascha Oberholzer und Donato Lorusso sind zur Zeit ihrer Tätigkeit im Hotel Dom noch kein Paar, sie wurden beide direkt von Ruth Kulcsar Meienberger und Gaby Heeb angefragt, ob sie Interesse hätten. Ruth Kulcsar Meienberger hatte ein ähnliches Hotelprojekt in Hamburg besucht und war motiviert, das Gleiche in der Schweiz auszuprobieren. «Wir waren etwa dreissig Jahre alt damals», sagt Donato Lorusso, der aus dem Thurgau stammt. «Es war meine erste Stelle im ersten Arbeitsmarkt, vorher habe ich in einer geschützten Werkstatt in der Reinigung und in der Küche gearbeitet», erzählt Natascha Oberholzer, die im Kanton St. Gallen aufwuchs. Im Hotel Dom wirkte sie im Restaurant im Service. Donato Lorusso arbeitete als Portier im Hotel und auch bei der Zimmerreinigung. Vorher sei er bei einer Institution für Hirnverletzte tätig gewesen. «Ich hatte auch mit Prominenz zu tun, die ich bediente», sagt Natascha Oberholzer stolz, «beispielsweise war Paul Rechsteiner, der ehemalige National- und Ständerat, bei uns zu Gast.» Ihr gefiel die Vielseitigkeit der Arbeit, die Bestellungen für Kaffee und Tee etwa liefen auch über sie. Als besonders anspruchsvoll hat sie in Erinnerung, dass man im Kontakt mit den Gästen gut drauf sein musste, auch wenn es einem grad nicht so gut ging. «Es war eine riesige Chance, diese Arbeit, wir leisteten Pionierarbeit und kamen deswegen sogar im Fernsehen», so Natascha Oberholzer. «Mit der Zeit und zunehmendem Erfolg wurde die Arbeit immer strenger», «Es war eine riesige Chance, wir leisteten Pionierarbeit im Hotel Dom und kamen deswegen sogar im Fernsehen.» Natascha Oberholzer WOHNEN IM WANDEL Der Branchenverband Insos organisiert zum zweiten Mal eine Fachtagung zum Thema «Wohnen im Wandel. Mitgestalten eines lebendigen und diversen Sozialraums» in Bern. Die Tagung ist interaktiv und findet mit Simultanübersetzung Deutsch und Französisch statt.
8 ARTISET 06 I 2024 sagt Donato Lorusso, das war sein Grund für einen Wechsel der Stelle. Natascha Oberholzer musste mit der Arbeit im Hotel Dom aufhören, nachdem sie einen Epilepsieanfall hatte und in der Küche auf den harten Steinboden gefallen war. Zum Glück hörten die Anfälle an der neuen Arbeitsstelle wieder auf. Wohntraining und Selbständigkeit Und wo sind sie jetzt beschäftigt? Donato Lorusso ist beim Verein «mensch-zuerst» tätig, während Natascha Oberholzer mittlerweile beim sozialen Unternehmen «dreischiiebe» beim Versand von Produkten, vor allem für die Bäckerei, mitarbeitet. «Ich muss dort sehr genau arbeiten, ich erstelle unter anderem Geschenkpakete», sagt sie. Die Arbeit im Hotel Dom half den beiden, selbständiger zu werden. In der Zeit vor ihrer Tätigkeit waren beide zudem bereits in einer Wohntrainingsgruppe, um zu lernen, was es braucht für das selbständige Wohnen ausserhalb von Institutionen – ein grosser Schritt für beide. Bei der Arbeit im Hotel Dom verliebten sich die beiden ineinander. Nachdem sie das Haushalten und das Finanzielle beherrschten, zogen sie in eine gemeinsame Wohnung und heirateten vor ungefähr 20 Jahren. Und wie selbständig leben sie heute? «Wir machen alles selber, haben aber beide schon lange einen Beistand, seit 2020 genügt jedoch eine Begleitbeistandschaft – wir machen nun auch unsere Finanzen selber», ist Donato Lorusso sichtlich stolz. Einmal pro Monat erhalten sie Besuch von der Wohnbegleitung, die bei Fragen hilft, auch bei Bedarf kommt sie. Und dieser Bedarf ist im Moment gegeben, denn das Internet funktioniert nicht mehr und die Telekommunikationsgesellschaft konnte nicht helfen. Natascha Oberholzer erzählt auch von einem Schein-Wettbewerbsgewinn, der mit einem Besuch von einem Vertreter verbunden war. Der habe ihr trotz ihres Widerstands ein teures technisches Gerät aufgedrängt, mit Hilfe des Vorstands konnte der schlechte Handel rückgängig gemacht werden. Es wird klar, die beiden wissen sich zu helfen, auch als es etwa darum ging, einmal nach Mallorca in die Ferien zu gehen – noch heute erzählen sie ganz begeistert davon. Sich gegen doofe Sprüche wehren Was hat sich verändert in all den Jahren, im Vergleich zur Zeit, als sie im Hotel Dom tätig waren? «Wir können heute selbständiger leben», so Donato Lorusso, «früher wurde mehr über mich entschieden.» Insgesamt hätten Menschen mit Beeinträchtigungen mehr Möglichkeiten, ist Lorusso überzeugt, er selber konnte beispielsweise noch keine Lehre machen damals. Darunter leide dann auch der Lohn, wie Donato Lorusso anmerkt. Natascha Oberholzer meint in Bezug aufs liebe Geld: «Wir können uns und unsere finanziellen Möglichkeiten recht gut einschätzen. Schön wäre, wenn wir uns ab und zu Ferien leisten könnten, die etwas mehr kosten dürfen.» Die Gesellschaft empfinden sie nicht als offener gegenüber Menschen mit Einschränkungen. Sie hören nach wie vor regelmässig doofe Sprüche von meist jungen Menschen. «Wir Personen mit Handicap können uns meistens nicht gut wehren, wir trauen uns nicht», meint Natascha Oberholzer. Einmal an der Olma habe sie jedoch ihren ganzen Mut zusammengenommen und eine Gruppe junger Männer, die sich breitmachten, beiseite geschoben. Sie engagiert sich auch im Insos-Rat als Selbstvertreterin, um sich und anderen mehr Gehör zu verschaffen. Zudem mag sie es, mit Menschen im Austausch zu sein, und besucht so viele Kurse und Weiterbildungen wie möglich. Sie geht auch gerne an Freizeittreffs, denn «für Personen mit Handicap ist es nicht so einfach, in den Ausgang zu gehen». HOTEL DOM Das Dreisternehotel Dom mit 40 Zimmern liegt mitten im zentralen Klosterviertel und bietet Raum zum Schlafen, zum Essen und für Sitzungen und Bankette. Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf können im Hotel mit Anleitung zu Selbstverantwortung und Selbstständigkeit ihre beruflichen, sozialen und intellektuellen Fähigkeiten weiterentwickeln. Vor 26 Jahren wurde das inklusive Hotel als erstes seiner Art gegründet. Heute sind rund 55 Personen an unterschiedlichen Arbeit- und Ausbildungsplätzen tätig. Die Mitarbeitenden wirken in der Küche, im Service, an der Réception, in der Etagenreinigung sowie in der Wäscherei und ihm Nähatelier. Die Lernenden absolvieren eine Ausbildung als Hotelfach-Person, Koch, Kauffrau, Restaurations-, Küchen- oder Hotellerie-Angestellte. Sie werden von qualifizierten Fachpersonen aus Hotellerie und Agogik begleitet. Das Hotel unterstützt seine Mitarbeitenden und Lernenden auch bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Dank Kooperationen mit unterschiedlichen Partnern aus dem ersten Arbeitsmarkt sind externe Praktika oder der Abschluss einem Betrieb im ersten Arbeitsmarkt möglich. Die Zusammenarbeit mit dem Open Art Museum für schweizerische Naive Kunst und Art Brut führt zu Bildern und Skulpturen aus dessen Sammlung in den Räumlichkeiten des Hotels. ➞ www.hoteldom.ch «Wir können heute selbständiger leben, früher wurde mehr über mich entschieden.» Donato Lorusso
ARTISET 06 I 2024 9 Im Fokus Vor gut drei Jahren hat der Vorstand der Sozialdirektorenkonferenz (SODK) eine Vision für das selbstbestimmte Wohnen von betagten Menschen und Menschen mit Behinderung formuliert. Wo steht die Politik heute? Es sei eine grosse Dynamik auf allen Staatsebenen zu beobachten, betonen zwei Vertreter des SODK-Generalsekretariats. Zwingend nötig sei jetzt eine Klärung auf Bundesebene. Von Elisabeth Seifert Der Bund ist ein wichtiger Taktgeber «Betagte Menschen und Menschen mit Behinderungen wählen bis im Jahr 2030 ihren Wohnort in der Schweiz und ihre Wohnform so selbstbestimmt und frei wie Menschen ohne Behinderung. Sie sollen dieselben Wahlmöglichkeiten wie Menschen ohne Betreuungsbedarf haben. Sie wählen die Wohnform selbst und definieren gemeinsam mit der zuständigen Stelle, welche Leistungen sie benötigen. Das Unterstützungsangebot ist bedarfsgerecht und fördert ein selbstbestimmtes Leben. (…) Mit bedarfsgerechter und angemessener Unterstützung können Personen privat zu Hause wohnen, wenn sie dies wünschen.» So lauten auszugsweise die Postulate der «Vision» für das «selbstbestimmte Wohnen von betagten Menschen und Menschen mit Behinderungen», die der Vorstand der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) vor gut drei Jahren, Ende Januar 2021, beschlossen hat. Indem die Vision explizit beide Gruppen einbezieht, folgt sie der UN-Behindertenrechtskonvention, die ebenfalls keinen Unterschied macht, ob jemand in jüngeren Jahren Hilfe benötigt oder erst aufgrund des hohen Alters gleichsam «neu behindert» wird. Aufbrechen alter Strukturen Mit seiner Vision bekennt sich der SODK-Vorstand zu einem eigentlichen Paradigmenwechsel in der Begleitung von Menschen mit Unterstützungsbedarf, der alles andere als leicht und schnell zu bewerkstelligen ist. «Es braucht viel, um die alten Strukturen aufzubrechen», beobachtet Remo Dörig, stellvertretender Generalsekretär der SODK. Gemäss den seit vielen Jahren geltenden Strukturen und Finanzierungsmechanismen haben viele Menschen mit Behinderung vor allem innerhalb von Institutionen Zugang zu Betreuungsangeboten – und nicht in einer selbst gemieteten Wohnung. Damit aber ist es für sie kaum möglich, die Wohnform und den Wohnort selbstbestimmt zu wählen. Eine ähnliche Problemstellung besteht auch bei Menschen im hohen Alter: Aufgrund fehlender oder für sie nicht bezahlbarer Betreuungsleistungen können sie nicht in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben und müssen dann möglicherweise gegen ihren Wunsch früher als nötig in eine Institution eintreten. Und dennoch: In den letzten Jahren sei auf allen Ebenen des föderalen Systems, der Ebene des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, eine grosse Dynamik feststellbar. Dies unterstreichen Remo Dörig und Thomas Schuler, der Fachbereichsleiter Behindertenpolitik im SODK-Generalsekretariat. Die neue Dynamik erkläre sich etwa damit, dass die Forderungen der UNBRK immer stärker im Bewusstsein der Behörden verankert seien. Zudem zwinge der demografische Wandel dazu, namentlich für betagte Menschen neue, den Bedürfnissen angepasste und für alle Beteiligten finanzierbare Lösungen zu finden. Und ganz generell erfordere der finanzielle Druck, so Schuler und Dörig, das bestehende Unterstützungssystem zu überprüfen. Verflechtungen zwischen den Staatsebenen Eine grosse Herausforderung, um die Angebotslandschaft neu zu strukturieren, sind die Verflechtungen zwischen den Staatsebenen bei der Bereitstellung und der Finanzierung entsprechender
10 ARTISET 06 I 2024 Unterstützungsleistungen. Im heutigen rechtlichen Rahmen liegt die Zuständigkeit für Betreuungsleistungen sowohl im Alter als auch für Menschen mit Behinderung grundsätzlich bei den Kantonen und Gemeinden. Im Bereich der Finanzierung über die Systeme der sozialen Sicherheit hat der Bund aber bestimmte Einflussmöglichkeiten: Möglich ist eine Finanzierung von Betreuung über die Ergänzungsleistungen (EL) zu AHV und IV oder auch über die Hilflosenentschädigung (HE). Aktuell erfolgen die Leistungen des Bundes vor allem indirekt, nämlich über Finanzhilfen an nationale Organisationen im Alters- und im Behindertenbereich, die dann bestimmte Dienstleistungen erbringen. Neben der indirekten Hilfe bringt sich der Bund auch direkt ein – nämlich über die IV-Assistenzbeiträge, die namentlich Menschen mit körperlichen Behinderungen ein selbstbestimmtes Wohnen in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Entsprechend ihrer grundsätzlichen Zuständigkeit haben sich in den letzten Jahren viele Kantone auf den Weg gemacht, um Unterstützungsleistungen zu schaffen, die ein möglichst selbstbestimmtes Wohnen ermöglichen. Neue gesetzliche Grundlagen sind dabei insbesondere zur Unterstützung ambulanter Angebote für Menschen mit Behinderungen geschaffen worden. Die beiden grossen Kantone Zürich und Bern haben Anfang Jahr die Subjektfinanzierung eingeführt, was es den begleiteten Menschen ermöglicht, die benötigten Unterstützungsleistungen selbstbestimmt einzukaufen und auch zu bestimmen, in welchem Wohnsetting sie diese beziehen wollen. Ähnliche Gesetze haben etwa auch die beiden Basel oder der Kanton Zug. Und viele weitere Kantone sind unterwegs dorthin. Das Commitment der Kantone erkenne man, so Thomas Schuler, auch daran, dass an den von Mitte Mai bis Mitte Juni erstmals national durchgeführten «Aktionstagen Behindertenrechte» alle Kantone mitmachen. Es braucht Klärungsarbeit auf Bundesebene Die Alterspolitik in den Kantonen indes ist – noch – stark auf die im stationären oder ambulanten Bereich erbrachten Pflegeleistungen ausgerichtet. Die Bereitstellung von darüber hinausgehenden Betreuungsangeboten, die den Verbleib in einer eigenen Wohnung ermöglichen würde, ist vielfach lückenhaft und muss von den betagten Menschen selbst bezahlt werden, unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen. Die beiden Vertreter der SODK betonen, dass in vielen Kantonen zwar mittlerweile umfassende Leitbilder und Altersstrategien entwickelt worden sind. Es fehlen aber noch die gesetzlichen Grundlagen und damit auch die Finanzierung entsprechender Betreuungsangebote. Für Remo Dörig und Thomas Schuler wäre es zudem sehr sinnvoll, wenn die Kantone die beiden Politikbereiche Alter und Behinderung im Geist der SODK-Vision künftig noch besser zusammendenken. Entscheidende Fortschritte in Richtung einer Umsetzung der in der SODK-Vision auf der Grundlage der UN-BRK formulierten Postulate erwarten Schuler und Dörig von der Gesetzgebungsarbeit auf Bundesebene. Dörig: «Der Bund ist in vielen Bereichen, gerade wenn es um die Finanzierungen von Betreuungsleistungen geht, ein wichtiger Taktgeber.» Das heisst: Die Regelungen auf Bundesebene haben Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Leistungen und Finanzierungen der anderen Staatsebenen. In den letzten Jahren ist einige Betriebsamkeit vonseiten des Parlaments zu beobachten, ganz besonders bei der Sozial- und Gesundheitskommission des Nationalrats. Bis jetzt haben all die eingereichten – und überwiesenen – Vorstösse allerdings noch nicht zu neuen gesetzlichen Bestimmungen geführt. Parallel zur Sensibilisierung der Kantone formuliert die SODK ihre Positionen zu zentralen Vorstössen. EL, Hilfsmittel und Hilflosenentschädigung Der erste und entscheidende Vorstoss der Kommission, eine Motion betreffend Ergänzungsleistungen (EL) für betreutes Wohnen, wurde von den eidgenössischen Räten bereits 2019 an den Bundesrat überwiesen. Ermöglicht «Das Commitment der Kantone erkennt man auch daran, dass an den von Mitte Mai bis Mitte Juni erstmals national durchgeführten Aktionstagen Behindertenrechte alle Kantone mitmachen.» Thomas Schuler, Fachbereichsleiter Behindertenpolitik der SODK Im Fokus
ARTISET 06 I 2024 11 werden soll damit das selbständige Wohnen zu Hause oder in einem institutionalisierten betreuten Wohnen. Im letzten Sommer hat der Bundesrat einen Umsetzungsvorschlag in die Vernehmlassung gegeben. Die SODK setzt sich hier dafür ein, dass die jährliche EL zur Deckung des Lebensbedarf und der Mietkosten mit einer neuen Betreuungspauschale ergänzt wird. Finanziert wird die jährliche EL gemeinsam von Bund und Kantonen. Der Bund bevorzugte zunächst eine Variante, bei der EL-Beziehenden Betreuungsdienstleistungen ähnlich den Krankheits- und Behinderungskosten vergütet werden. Dafür müssen die Kantone allein aufkommen. Jetzt, Anfang Mai indes, im Rahmen der Kenntnisnahme der Vernehmlassung und im Hinblick auf die Erarbeitung einer Botschaft ans Parlament ist der Bundesrat auf die unter anderem von der SODK bevorzugten Variante eingeschwenkt. Eine Finanzierung von Betreuungsleistungen über die EL soll zudem, wie die SODK in ihrer Vernehmlassung betont, nicht nur im Rahmen der AHV, sondern auch im Rahmen der IV erfolgen. Diese Gleichbehandlung entspreche der heute gültigen Regelung. Die Angleichung von Unterstützungsleistungen und Finanzierungsinstrumenten für betagte Menschen und Menschen mit Behinderung sei ein Postulat der SODK und auch ein Anliegen des Parlaments. Seit Anfang Mai unterstützt der Bundesrat ebenfalls diese Gleichbehandlung. Eine Angleichung der Leistungen der beiden Sozialversicherungen ist derzeit etwa über drei parlamentarische Vorstösse zu den AHV-Hilfsmitteln ein Thema, die allesamt an den Bundesrat überwiesen wurden. Die Liste (mit-) finanzierter Hilfsmittel ist bei der IV bedeutend länger als bei der AHV. In einem Positionspapier samt Hintergrundbericht fordert die SODK eine Angleichung der AHV- an die IV-Hilfsmittel. Bis Ende Jahr will die SODK gemäss Schuler und Dörig weiter eine Position zur Weiterentwicklung der Hilflosenentschädigung (HE) formulieren. Schuler: «Es geht darum zu prüfen, wie der Kreis der Bezügerinnen und Bezüger erweitert werden kann.» Grundlage hier ist ein in diesem Frühling an den Bundesrat überwiesenes parlamentarisches Postulat zwecks Prüfung einer Entwicklung der HE hin zu einem Betreuungsgeld, auch hier soll eine Angleichung der Leistungen im AHV- und IV-Bereich geprüft werden. Die Inklusionsinitiative – ein Treiber für die Politik Ein weiteres an den Bundesrat überwiesenes Postulat beauftragt diesen – wiederum im Sinn der SODK – zu prüfen, inwieweit die Ausrichtung von Assistenzbeiträgen auch an Personen in Rentenalter zu einer Verbesserung ihrer sozialen Absicherung führt. Wie gerade auch die Stellungnahmen des Bundes zu all den eingereichten Vorstösse deutlich machen, sind diese eng miteinander verflochten, betreffen die Unterstützungssysteme auf allen Ebenen und haben bedeutende finanzielle Auswirkungen. Innerhalb des Schwerpunktprogramms Wohnens, das der Bund Ende letztes Jahr verabschiedet hat, soll in den nächsten Jahren – gleichsam in Ergänzung zum Gesetzgebungsprozess – das «Zusammenspiel der Massnahmen von Bund und Kantonen verbessert werden». Im Fokus der Schaffung eines «kohärenten Angebots an individuellen Unterstützungsleistungen» stehen Menschen mit einer Behinderung, wobei auch von «älteren Menschen» und ganz generell von «Menschen mit Unterstützungsbedarf» die Rede ist. Thomas Schuler und Remo Dörig erhoffen sich namentlich von der Inklusionsinitiative, die im Spätherbst eingereicht werden dürfte, entscheidende Impulse. Eine offizielle Stellungnahme der SODK steht aber noch aus. Dörig: «Die Initiative wird sich aber aller Voraussicht nach als ein grosser Treiber erweisen und nimmt sowohl den Bund als auch die Kantone in die Pflicht.» Vor allem im Bereich Wohnen, wobei die Initiative sämtliche Lebensbereiche miteinbezieht. «Die neue Dynamik erklärt sich etwa damit, dass die Forderungen der UN-BRK immer stärker im Bewusstsein der Behörden verankert sind. Zudem zwingt der demografische Wandel dazu, angepasste und finanzierbare Lösungen zu finden.» Remo Dörig, stellvertretender Generalsekretär der SODK
12 ARTISET 06 I 2024 Die Prioritäten der Seniorinnen und Senioren Die Seniorenresidenz Les Bennelats mit 48 betreuten Wohnungen im Zentrum von Porrentruy (JU) ist seit Dezember 2023 in Betrieb. Ihre Besonderheit: Sie wurde mit und für Menschen im Alter konzipiert und gestaltet, die im Rahmen eines partizipativen Ansatzes mit dem Senior Lab in Lausanne ihre Erwartungen äussern konnten. Von Anne-Marie Nicole
ARTISET 06 I 2024 13 Im Fokus Jean-Marie Voirol empfängt uns in seiner 2,5-Zimmer- Wohnung im dritten Stock der Seniorenresidenz Les Bennelats im Herzen der Stadt Porrentruy (JU). Der 91-Jährige war der erste Mieter dieser neuen Residenz. Seit der Eröffnung am 1. Dezember 2023 wohnt er hier. Die 48 betreuten Wohnungen der Seniorenresidenz Les Bennelats gehören zur Gruppe Les Pénates, die ihren Namen den römischen Schutzgöttern des Haushalts verdankt. Dieses 2022 von der Gemeinde Porrentruy gegründete Unternehmen umfasst auch das Pflegeheim Les Planchettes, das Tageszentrum Le Bois Husson sowie den Spitex-Dienst Seraino. Der Eingangsbereich der Wohnung führt in ein grosses Wohnzimmer mit integrierter und voll ausgestatteter Küche. In diesem hellen und geräumigen Raum bewegt sich unser Gastgeber mühelos mit dem Rollator, denn seine Knie tragen ihn nicht mehr allein, wie er uns erklärt. Vom Wohn- und vom Schlafzimmer aus hat er Zugang zu einer Loggia mit Blick auf die belebte Strasse, den Park und die Geschäfte im Quartier. Aus seinem alten Zuhause hat Jean-Marie Voirol mehrere Möbel mitgenommen: einen Sessel, ein Sofa, einen Schrank, eine Anrichte, einen Tisch, Stühle – alles Bezugspunkte, die von einem langen Lebensweg zeugen. Ein Porträt seiner Frau, ein grosses Familienfoto und ein Bild, auf dem eine Dorfstrasse und im Hintergrund sein Elternhaus zu sehen sind, zieren die weissen Wände. «Ich fühle mich hier zu Hause», sagt er mit einem Lächeln im Gesicht. Eigentlich war geplant, dass er hier zusammen mit seiner Frau einzieht. Doch leider hat sich ihre Gesundheit so stark verschlechtert, dass ein Eintritt ins Pflegeheim Les Planchettes für sie die bessere Wahl war. «Für mich war das Pflegeheim zu früh», betont Jean-Marie Voirol. «Ich bin noch gesund, ich schätze meine Autonomie, will mich frei bewegen und selbst über mein Leben entscheiden können. Hier sind alle frei, niemand wird zu etwas gezwungen.» Er geht gerne einkaufen und kocht selbst, besucht aber auch regelmässig seine Frau im Pflegeheim, um dort gemeinsam mit ihr zu Mittag zu essen. Unbestrittene Vorteile Um bei unserem Besuch nichts zu vergessen, hat Jean-Marie Voirol im Vorfeld auf einem Zettel alles notiert, was ihm am Leben in der Seniorenresidenz gefällt – ohne dabei auf eine bestimmte Reihenfolge zu achten: eine durchdachte Wohnung mit allem Nötigen und guter Schalldämmung, eine ideale Lage im Stadtzentrum und eine schöne Aussicht auf das Schloss. Hinzu kommt ein interner Fernsehkanal – «wie im Hotel» – mit Informationen zum Wetter des Tages, zu den verfügbaren Menüs der Woche, den angebotenen Aktivitäten und der Belegung der drei auf die Stockwerke verteilten Gemeinschaftsräume, die den Mieterinnen und Mietern zur Verfügung stehen. Ausserdem schätzt der kontaktfreudige Mann neue Begegnungen und die Aktivitäten, an denen er jeden Montag- und Donnerstagnachmittag teilnehmen kann: Filme, Spiele, Vorträge, Ausflüge und sogar Übungen zum Gedächtnistraining. In seinen Augen liegen die Vorteile auf der Hand, und er versteht nicht, warum ältere Menschen mit kleineren Gesundheitsproblemen zögern, in eine betreute Wohnung zu ziehen. Jean-Marie Voirol war von Anfang an überzeugt von dieser Wohnform. Der ehemalige Gemeindepräsident von Porrentruy hat sich immer für die Entwicklung von Betreuungseinrichtungen für diverse Zielgruppen mit Unterstützungsbedarf eingesetzt. So ab dem Ende der 1980er-Jahre auch für den Bau des Heims Les Planchettes. Heute ist es ein Pflegeheim, was allerdings nicht immer der Fall war. Bei der Eröffnung im Jahr 1992 und bis 1998 bestand die Einrichtung aus Studios mit Badezimmer und Kochnische für relativ selbstständige Menschen im Rentenalter. Damals sprach man noch nicht von einer Seniorenresidenz, das Prinzip war aber sehr ähnlich. «Schon vor 30 Jahren beschäftigte man sich mit dem Erhalt der Autonomie von Menschen im Alter», berichtet Julien Loichat, Direktor des Unternehmens Les Pénates. Eine Residenz von und für Senioren Die Konzeption der Seniorenresidenz Les Bennelats ist weder ein Zufall, noch haben sie die Projektierenden aus dem Hut gezaubert. Noch bevor der erste Grundstein gelegt wurde, war sie Gegenstand eines partizipativen Ansatzes unter der Leitung des Senior Labs – einer interdisziplinären Plattform für Innovation und angewandte Forschung mit Sitz in Lausanne, die von drei Waadtländer Hochschulen gegründet wurde: dem Institut et Haute École de la Santé La Source, der Haute École d’Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud (HEIG-VD) und der École cantonale d’art de Lausanne (ECAL). «Ziel war es, das Projekt zusammen mit potenziellen zukünftigen Mieterinnen und Mietern zu entwickeln», erklärt Rafael Fink, «Die Selbstbestimmung der Menschen zu respektieren, bedeutet, ihnen zuzuhören, sie zu verstehen, ihre Anliegen zu berücksichtigen und in die Realität umzusetzen. Nur so kann es funktionieren.» Julien Loichat, Direktor des Unternehmens Les Pénates
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ARTISET 06 I 2024 15 in die Konzeption der Wohnungen integriert. «Wir verfügen über die Erfahrung und Kompetenzen im Bereich der Menschen im Alter, behaupten aber nicht, alles zu wissen», betont Julien Loichat, der diesen partizipativen Ansatz begrüsst. «Er fördert eindeutig die Autonomie der Personen», fährt er fort. «Die Selbstbestimmung der Menschen zu respektieren, bedeutet, ihnen zuzuhören, sie zu verstehen, ihre Anliegen zu berücksichtigen und in die Realität umzusetzen. Nur so kann es funktionieren.» Der Direktor nennt auch einige in seinen Augen überraschende Resultate. So zum Beispiel den Wunsch, über Parkplätze zu verfügen. «Wir dachten, dass die Seniorinnen und Senioren mit dem Umzug ins Stadtzentrum ihr Auto abgeben werden, aber das ist nicht der Fall.» Die Projektträger sahen eine gemeinsame Waschküche vor, um einen Treffpunkt zu schaffen. Doch die potenziellen Mieter fanden dies zu umständlich. Sie waschen lieber in ihrer Wohnung. Ausserdem wollen auch die Senioren keine Badewanne mehr, sondern eine ebenerdige Dusche. «Was sich die Menschen hier wünschen, ist eine Sicherheit und eine Autonomie, die sie zu Hause aufgrund von diversen Schwierigkeiten sowie fehlenden Infrastrukturen und Nahversorgungsbetrieben nicht mehr haben.» Mit der Eröffnung der betreuten Wohnungen Les Bennelats, der Inbetriebnahme der Spitex-Organisation Seraino, der Einführung einer neuen IT-Ausrüstung für die Teams und des elektronischen Pflegedossiers sowie eines internen Kommunikationstools war das Jahr 2023 besonders intensiv! Deshalb müsste 2024 das Jahr der Stabilisierung sein. Oder doch nicht? Zukünftigen Entwicklungen vorgreifen Julien Loichat und seinem Managementteam mangelt es nie an Überlegungen und Ideen, um zukünftigen Entwicklungen im Bereich der Betreuung und Pflege von älteren Menschen vorzugreifen. «Wir wollen weiterhin Dienstleistungen und Strukturen entwickeln, die die Autonomie von Menschen fördern», so der Direktor. «Die demografische Entwicklung und die Fragen in Zusammenhang mit der Finanzierung müssen uns dazu bewegen, weiterhin langfristig zu handeln.» Die Seniorenresidenz Les Bennelats folgt einer fortschreitenden Logik: Eine modulare Struktur und eine flexible Organisation ermöglichen es, den Dienstleistungsumfang je nach den Bedürfnissen und dem Gesundheitszustand der Mieterinnen und Mieter zu reduzieren oder zu erweitern. In den verschiedenen Strukturen der Gruppe könnten Synergien genutzt werden, unter anderem beim Mahlzeitendienst und durch einen Zusammenschluss der Dienste in den Bereichen Rechnungsstellung, Hauswirtschaft und Aktivierung. Gestützt auf ihre Erfahrung und ihr Fachwissen könnte die Gruppe ausserdem ihre Kompetenzen zur Verfügung stellen, um mit privaten oder öffentlichen Partnern neue Modelle für die Betreuung und Pflege zu Hause zu entwickeln. Dafür könnte sie Sozialreferentinnen einsetzen, mobile Teams schaffen oder betreute Wohnungen in bestehende Mehrfamilienhäuser in den umliegenden Dörfern und Gemeinden integrieren. Ziel dabei ist es, den Verbleib der Menschen in ihrer gewohnten Umgebung zu fördern und ihre Autonomie bestmöglich zu erhalten. Um nichts zu vergessen, hat der 91-jährige Jean-Marie Voirol auf einem Zettel alles notiert, was ihm am Leben in der Seniorenresidenz gefällt. In der Seniorenresidenz Les Bennelats verfügen alle Wohnungen über einen Balkon oder eine Loggia, was die befragten Senior:innen als unerlässlich erachten. Fotos: amn Im Fokus
16 ARTISET 06 I 2024 Veränderung erfordert Mut Plakat mit Samira Mathys, einer Klientin der Altra Schaffhausen: Sie und andere Menschen mit Behinderung unterstützen eine Kampagne der Institution, welche die Öffentlichkeit für die Postulate der UN-BRK sensibilisieren will. Foto: Altra Schaffhausen
ARTISET 06 I 2024 17 Im Fokus Institutionen für Menschen mit Behinderung, darunter die «Altra» in Schaffhausen, stecken aufgrund der Postulate der UN-Behindertenrechtskonvention mitten in einem Transformationsprozess. Das Gespräch mit zwei Vertretenden der Organisation zeigt, welche Herausforderungen es mit sich bringt, den begleiteten Menschen zu helfen, ihren Platz zu finden. Von Elisabeth Seifert Neben einer Reihe anderer Gesichter lächelt auch Samira Mathys in diesen Wochen selbstbewusst von einem der Plakate den Passanten zu, die an belebten Orten im Kanton Schaffhausen angebracht sind. Ihre Botschaft: «Ich lebe Vielfalt. Und du?» Die junge Frau arbeitet mit je einem Teilzeitpensum im Bereich Floristik der Bio-Gärtnerei der «Altra» und in einem Quartierladen der Stadt Schaffhausen, wo sie von einem Job-Coach begleitet wird. Sie lebt in ihrer eigenen Wohnung und wird dort während weniger Stunden pro Woche von einer Fachperson der Institution in Alltagsfragen beraten. Samira Mathys scheint «ihren» Weg gefunden zu haben – sowie auch die anderen Menschen, die sich an der Kampagne der Institution beteiligen. Diese will mittels unterschiedlicher Aktivitäten die Öffentlichkeit und die Wirtschaft für die Postulate der UN-BRK sensibilisieren. Gleichzeitig bekennen sich die Verantwortlichen der Institution selbst zu deren Leitlinien, wenn sie mit dem Slogan werben: «Altra schafft Wahlmöglichkeiten – für eine inklusive Welt, in welcher alle Menschen selbstbestimmt leben können.» Eine andere Sichtweise einnehmen Eine persönliche Entwicklung hin zu einem selbstbestimmten Leben ist nur möglich, wenn Menschen mit Behinderung wie alle anderen auch aus mehreren Perspektiven auswählen können. Davon sind die beiden Altra-Geschäftsleitungsmitglieder Sonja Anderegg und Sven Stückmann überzeugt. Mit den Wahlmöglichkeiten allein ist es aber nicht getan: «Es geht auch darum, die Menschen zu befähigen, damit sie herausfinden, was sie brauchen und wo ihr Platz ist», unterstreicht Sonja Anderegg. Sie ist zuständig für den Fachbereich Integration, Wohnen und Beschäftigungsstätte. Den Grundmaximen der UN-BRK nachzuleben, bedeute, eine andere Sichtweise einzunehmen, betont Anderegg. Eine Sichtweise eben, welche das Recht aller Menschen berücksichtige, eine möglichst grosse Wahlfreiheit in der Gestaltung des eigenen Lebens zu haben. «Vor zehn Jahren, als die UN-Behindertenrechtskonvention von der Schweiz ratifiziert worden ist, wurde uns sehr schnell bewusst, dass dies weitreichende Folgen für uns haben wird.» Es war – und ist – viel Reflexionsarbeit und Mut erforderlich, um sich auf diese neue Sichtweise einzulassen. «Wir sind heute so weit, dass alle ein Teil der Transformation sein wollen», sagt sie: die Geschäftsleitung und der Stiftungsrat, die Fachpersonen sowie die Klientinnen und Klienten. Und Sven Stückmann, Leiter Verkauf, Marketing und Kommunikation, fügt bei: «Die UN-BRK ist für uns eine Leitschnur und eine Qualitätsanforderung geworden, die Klarheit schafft für die Weiterentwicklung der Altra.» Verschiebung in zwei Richtungen Besonders viel Mut aufseiten der Institutionsleitung brauchte – und braucht – es, um neue Angebote im Bereich Arbeit zu schaffen. So wie in vielen Institutionen ist auch in der Altra über die letzten Jahrzehnte hinweg eine breite Palette an Beschäftigungsplätzen im ergänzenden Arbeitsmarkt entstanden. In eigenen Betrieben oder in Zusammenarbeit «Wir sind heute so weit, dass alle ein Teil der Transformation sein wollen: die Geschäftsleitung, der Stiftungsrat, die Fachpersonen sowie die Klientinnen und Klienten.» Sonja Anderegg, Leiterin Fachbereich Integration, Wohnen und Beschäftigungsstätte der Altra Schaffhausen.
18 ARTISET 06 I 2024 RedLine Software GmbH · 9000 St. Gallen +41 71 220 35 41 · info@redline-software.ch redline-software.ch Spenden Menschen in Not erfahren Dank Ihrer Unterstützung Wertschätzung und Hoffnung. So unterstützen wir gemeinsam mit Ihnen Menschen auf dem Weg zurück in ein würdiges Leben. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie Hilfsangebote für Wohnplätze, Begleitung, Nothilfe, seelsorgerische Gespräche und den Betrieb des Gassenlokals. PC 87-190412-1 IBAN: CH12 0900 0000 8719 0412 1 Wir sind eine Wohngemeinschaft Das Haus Zueflucht bietet niederschwelligen Wohnraum für Menschen in spektakulären Lebenssituationen. Dazu gehören Menschen, die auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt benachteiligt sind. Wir unterstützen Menschen in Not Im Zueflucht Pace helfen wir Menschen, die meist kein Zuhause haben und die kalten Nächte sonst draussen auf der Gasse verbringen. Transparenz Partnerschaft Professionalität www.fraga.ch Anzeige mit Firmen aus diversen Branchen produzieren die Altra- Mitarbeitenden eine Vielfalt an Gütern. Zudem erbringen sie verschiedene Dienstleistungen. Ein grosser Teil der gegen 450 Klientinnen und Klienten mit unterschiedlichen Behinderungen arbeitet – noch – an einem dieser Institutions- internen Arbeitsplätze. Diese breite Palette sei deshalb geschaffen worden, so Anderegg, um den Altra-Mitarbeitenden zu ermöglichen, eine Beschäftigung zu finden, die ihnen liegt. Mit der UNBRK und dem Postulat, den Rechten und Bedürfnissen der begleiteten Menschen noch besser nachzukommen, komme es jetzt aber zu einer Verschiebung. Und zwar in zwei Richtungen: Zum einen erfreut sich die «Tagesstruktur ohne Lohn» namentlich bei Menschen mit einer psychischen Behinderung grosser Beliebtheit. Mittlerweile ist knapp ein Fünftel der Altra-Belegschaft in einem der Ateliers tätig. Anderegg: «Wir haben das Angebot geschaffen, weil wir feststellten, dass viele lieber kreativ tätig sein wollen als in einer Werkstätte zu arbeiten.» Und zum anderen gibt es eine Verschiebung in Richtung der Inklusionsarbeitsplätze. Auch das ein Angebot, das die Institution seit ein paar Jahren gezielt fördert. Die Klienten bleiben bei der Altra unter Vertrag, sind aber, unterstützt von einem Job-Coach, im allgemeinen Arbeitsmarkt tätig. «Der Wunsch vieler unserer Mitarbeitenden, Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes zu sein, ist sehr gross», beobachtet Anderegg. «Derzeit arbeiten 24 Menschen an solchen Inklusionsarbeitsplätzen, und mindestens nochmals so viele stehen auf der Warteliste.» «Es wird immer Menschen geben, die sich im geschützten Bereich am besten aufgehoben fühlen und auch in diesem Bereich Wahlmöglichkeiten brauchen.» Sven Stückmann, Leiter Verkauf, Marketing und Kommunikation
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