ARTISET Magazin | 1-2 2022
ARTISET 01/02 I 2022 19 Im Fokus Abreissen und neu bauen… oder doch besser renovieren? Das war die Frage, die sich mit Blick auf die in die Jahre gekommene Überbauung Les Minoteries und die sinkende Lebensqualität im Quartier stellte. Denn die zur Entschär- fung der herrschenden Wohnungsnot in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre hochgezogenen Wohnblöcke haben seit ihrem Bau keine grössere Renovation erfahren. Sie wurden mittlerweile zu einem der grössten Energieverbraucher des städtischen Immobilienbestands. Die Wohnanlage, die zwei massige achtstöckige Blöcke mit sieben Treppenaufgängen umfasst, beherbergt rund 600 Mietende in insgesamt 329 Wohnungen. Mit ihren 6000 Quadratmeter Fläche ist sie eine der grössten Anlagen des städtischen Immobilienbestands, der zu 90 Prozent aus Sozialwohnungen besteht und das Zusammenleben ver- schiedener Generationen sowie den sozialen Zusammenhalt fördern soll. Neben den Wohnungen bietet der Standort auch eine Kita, einen Kindergarten, eine Bibliothek, meh- rere Ateliers, ein medizinisches Zentrum, einWohnheim für Menschen mit Mehrfachbehinderung, einen Seniorenklub, verschiedene technische Lokale, eine Reihe von Gemein- schaftsräumen sowie eine kleine Parkanlage. Also die Frage: Neubau oder Renovation? Die Wahl fiel schliesslich auf die zweite Option. Sie war zwar komplexer, dafür aber kostengünstiger. Das Renovationsprojekt ver- folgte ein doppeltes Ziel: einerseits die Energieeffizienz des Gebäudekomplexes zu optimieren und andererseits durch eine Anpassung an die geltenden Normen bezüglich Kom- fort, Sicherheit und Barrierefreiheit für mehr Lebensqualität zu sorgen. So fiel im Jahr 2016 der Startschuss für ein fast 93 Millio- nen Franken teures Projekt, an dem gleich mehrere städtische Dienststellen – Immobilienverwaltung, Sozialdienst, Bau- und Energiedirektion – beteiligt waren. «Zwei in die Jahre gekommene, energiefressende Wohnblöcke aus den Sieb zigerjahren zu renovieren, war an sich schon eine Herausfor- derung. Sie mitten in der Stadt auch noch energieautonom zu machen, war ein kolossales Unterfangen.» Mit diesen Worten beginnt das Buch, das die Stadt Genf herausgegeben hat, um die Geschichte dieser imposanten, fast vierjährigen Renovation zu dokumentieren. Eine der aufwendigsten Arbeiten war die umfangreiche Umgestaltung der Fassaden und Dächer, um die Isolation der Gebäude zu verbessern und die technischen Anlagen an die modernen Energiestandards anzupassen. Dabei wurde als echte Innovation ein System zur Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser der Duschen, Sanitäranlagen und Küchen der Mietenden installiert, mit dem das Heizungs- ➞ Eine imposante Sanierung im Zeichen der Energiewende Die Überbauung Les Minoteries in Genf, die vor rund 50 Jahren erstellt wurde, ist einer der grössten stadteigenen Genfer Wohnkomplexe. Nach vierjähriger Renovationszeit präsentiert sie sich seit 2020 in neuem Gewand: Eine architektonische Glanzleistung, die sowohl im Hinblick auf die Energiewende als auch auf die soziale Rehabilitation wegweisend ist. Von Anne-Marie Nicole
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