Gewalt verhindern Magazin ARTISET 1-2 2023

ARTISET 01/02 I 2023 17 der Bewohnerinnen und Bewohner attestiert. Die geäusserten Empfehlungen seien bereits zu einem grösseren Teil von der entsprechenden Abteilung beim Kanton benannt worden. Es liege aber im Ermessen des Heims, diese umzusetzen, da sie sich nicht auf eine mangelnde Pflegepraxis beziehen. Auf Anfrage des Magazins Artiset meint die Medienstelle der Senevita AG, man nehme die geäusserten Empfehlungen ernst. Und: «Es ist für uns immer eine Chance zur Verbesserung, wenn externe Organisationen unsere Arbeit untersuchen.» Die Senevita-Heime würden intern und extern regelmässig auditiert, heisst es weiter in der schriftlichen Stellungnahme. Senevita nähme insbesondere auch das Thema Gewalt sehr ernst. Vor Kurzem habe man als erste Institution in der Schweiz eine Zusammenarbeit mit der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA) eingeführt, «um eine möglichst niederschwellige Beratungs- und Meldestelle anbieten zu können, die neutral und unabhängig arbeitet». Es braucht genügend ausgebildetes Personal Die Beobachtungen der Kommission in ihren ersten beiden veröffentlichten Berichten dürften auf viele Heime in der Schweiz zutreffen. «Es besteht generell eine hohe Sensibilität, im Sinne und zum Wohl der Bewohnenden zu arbeiten», sagt NKVF-Präsidentin Regula Mader nach dem Besuch von mittlerweile mehreren Pflegeheimen. Sie sieht aber in verschiedenen Bereichen Spielraum für Verbesserungen, vor allem bei der Reflexion freiheitseinschränkender Massnahmen. In den Heimen bestehen in aller Regel konzeptionelle Grundlagen, so Mader, «der Detaillierungsgrad ist aber sehr unterschiedlich und die Praxis stimmt nicht immer mit dem Konzept überein. In der Dokumentation wird oft nur der Entscheid festgehalten und nicht die Begründung für eine bestimmte Massnahme oder welche anderen, weniger einschneidenden Massnahmen man sonst noch ausprobiert hat.» «Wichtig ist, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass solche Massnahmen die Bewegungsfreiheit einschränken und deshalb auch regelmässig auf ihre Notwendigkeit geprüft werden müssen.» Regula Mader verweist auf eine Reihe bereits bestehender Empfehlungen und Grundlagen, auch vom Branchenverband Curaviva, die die Institutionen dabei unterstützen, freiheitseinschränkende Massnahmen zu reduzieren respektive sogar ganz darauf zu verzichten. Damit dies gelingen kann, brauche es neben klaren konzeptionellen Vorgaben mit definierten Prozessen auch eine gemeinsame Wertehaltung und den Willen, solche Massnahmen möglichst zu vermeiden und die Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit zu fördern. Erforderlich dafür sei die Sensibilisierung der Mitarbeitenden mittels entsprechender Weiterbildungen und, wie Regula Mader betont, «genügend ausgebildetes Personal auch am Abend und am Wochenende». Denn: «Nur mit genügend Personal besteht die Möglichkeit zu einer individuellen Begleitung, was Auswirkungen hat auf die Anwendung freiheitseinschränkender Massnahmen.» Fachlich gute Konzepte, eine gemeinsame Wertehaltung, die Sensibilisierung und Schulung des Personals einschliesslich einer genügenden Zahl von Pflegenden und Betreuenden seien generell von grosser Bedeutung, so Regula Mader, um in sozialmedizinischen und sozialen Institutionen die menschenrechtlichen Standards erfüllen zu können. Die Berichte finden Sie hier: ➞ nkvf.admin.ch/nkvf/de/home/publikationen/ «Erforderlich sind eine gemeinsame Wertehaltung und der Wille, Massnahmen zur Freiheitseinschränkung möglichst zu vermeiden.» Regula Mader, Präsidentin der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) Im Fokus

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2NjEzOQ==