20 ARTISET 01/02 I 2023 Standards bleibt zwar weiterhin die Einteilung von Grenzverletzungen in vier Stufen von «Alltägliche Situationen» über «Leichte Grenzverletzung» und «Schwere Grenzverletzung» bis «Massive Grenzverletzung». Wichtige Kernelemente wie der Raster zur Einstufung von Grenzverletzungen bleiben bestehen, ebenso die Einteilung in die verschiedenen Ebenen – also beispielsweise die Ebene Jugendliche untereinander, Jugendliche gegenüber Betreuungsperson oder Betreuungspersonen gegenüber Jugendlichen – sowie die zu den jeweiligen Grenzverletzungen definierten Massnahmen. Aber die Begriffe sind neutral gewählt, in der Basisversion heisst es nun «Adressat» oder «Person in Verantwortung», je nach Bereich können in den auf die Zielgruppe adaptierten Versionen dafür die Begriffe «Schülerin und Schüler» und «Lehrperson» eingesetzt werden oder eben «Bewohnerin und Bewohner» und «Betreuungsfachperson». Basisversion zum Anpassen Die bisherigen Grundlagen des Standards haben Bässler und Zindel mit dem Kernteam ergänzt und genauer definiert. Dazu gehören beispielsweise «Werte und Haltungen», «Kodex der nicht tolerierbaren Handlungen», Instrumente wie «Erfassungsformulare» oder «interne und externe Meldestelle». Diese insgesamt elf Faktoren bilden die Kernelemente der neuen Basisversion, die neu speziell auf bestimmte Zielgruppen angepasst werden können. Beispielsweise für Kinder- und Jugendinstitutionen, Institutionen für Menschen mit Behinderung, Schulen, Sportvereine oder Institutionen für Menschen im Alter. Ist die Zielgruppe definiert, lässt sich der Standard noch weiter verfeinern und auf die jeweilige Organisation anpassen. Diese Feinanpassung für die einzelnen Institutionen und Organisationen, schon bisher zentral, wird umso wichtiger, damit der Standard auch ausserhalb des sozialpädagogischen Rahmens Sinn macht: Während beispielsweise eine Betreuungsperson in einer Sonderschule für schwer autistische Kinder mit herausforderndemVerhalten damit rechnen muss, dass ein Kind aus der Not heraus körperlich aggressiv reagiert oder an den Haaren reisst, ist das in einer Regelschule nicht zu erwarten. «Das heisst natürlich nicht, dass in einer Sonderschule im Stellenbeschrieb steht ‹darf angegriffen werden›», stellt Martin Bässler klar. Aber den Tatsachen müsse Rechnung getragen werden und die Abhilfe in einem anderen Schritt folgen: «Eine wichtige Rolle spielt, wie die Betreuungsperson mit ihrem Problem aufgefangen wird. Und was sie an Unterstützung erhält, damit die Situation für sie ertragbar wird.» Neu Stiftung Bündner Standard Beat Zindel wurde auch schon gefragt, ob es nicht schade sei, dass das Instrument nur reaktiv eingesetzt werden könne. Dann erklärt er jeweils: «Der Standard soll zeigen, wie man mit einer Grenzverletzung umginge, wenn sie passieren würde, was man unternehmen soll, wenn sie passiert ist – aber auch, was es braucht, damit keine Grenzverletzung passiert. Er ist also unbedingt auch präventiv.» Nur schon, über Grenzverletzungen zu reden und sich intern Gedanken zur Handhabung zu machen, sei schon ein wichtiger Fortschritt, betont Zindel: «Institutionen müssen sich weitreichende Gedanken über ihre Abläufe machen und wissen, welche Werte bei ihnen zählen.» Weil die neue Version für diverse Institutionen gelten soll, passt der Bündner DIGITALISIERTER BÜNDNER STANDARD Damit der Bündner Standard künftig als digitale Lösung für vielfältige Zielgruppen angeboten werden kann, wird er an die Anforderungen einer digitalen Lernplattform adaptiert. Das Kernteam ist dasselbe geblieben, mit Martin Bässler und Beat Zindel haben Angela Hepting und Jörg Leeners gemeinsam die ursprüngliche Version entwickelt. Heute sind sie unter anderem für die Weiterentwicklung innerhalb der Stiftung Bündner Standard zuständig. Die Website ist als Lightversion bereits online. Sie wird laufend ergänzt und aktualisiert. Ab dem Frühling können Interessierte den Standard abonnieren und damit Angebote wie Aus und Weiterbildungen und fachlichen Austausch nutzen. ➞ buendnerstandard.ch «Der Bündner Standard soll ein Mittel zur Prävention und Aufarbeitung sein und nicht als Bestrafung oder als Druckmittel eingesetzt werden.» Martin Bässler
RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2NjEzOQ==