Gewalt verhindern Magazin ARTISET 1-2 2023

ARTISET 01/02 I 2023 29 Der Fachkräftemangel und anspruchsvolle Pflegesituationen zwingen die Heime dazu, Pflegende dort einzusetzen, wo sie wirklich nötig sind. Der «Grademix-Konfigurator für die Langzeitpflege», ein gemeinsames Projekt der Berner Fachhochschule und der Besa Qsys AG, will die Heime dabei unterstützen. Von Elisabeth Seifert In der Langzeitpflege generell und gerade auch im stationären Bereich werden Pflege und Betreuung der betagten Menschen immer anspruchsvoller. Die Betagten treten erst spät und entsprechend fragil in ein Pflegeheim ein. Viele Bewohnerinnen und Bewohner sind multimorbid, wobei physische, psychische und soziale Faktoren eine Rolle spielen. Solche komplexen Bewohnersituationen können Pflegende überfordern, wodurch die Unzufriedenheit wächst – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihrem Beruf den Rücken kehren. Hinzu kommt, dass sich Pflegeheim-Trägerschaften und Kantone oft schwer damit tun, genügend Stellen auf dem erforderlichen Ausbildungsniveau zu bewilligen. In diesem für die Pflegeheime und die Pflegenden schwierigen Umfeld verspricht ein Projekt Entlastung, das von Innosuisse, der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, mitfinanziert wird. «Grademix-Konfigurator» heisst das Zauberwort. Entwickelt wird dieser in Verlauf der nächsten gut zwei Jahre von der Berner Fachhochschule und der Besa Qsys AG, dem nationalen Kompetenzzentrum für die Ermittlung des Betreuungs- und Pflegebedarfs im Gesundheits- und Sozialbereich. Der Grademix-Konfigurator werde «in der Schweiz den ressourcenorientierten Einsatz von Pflegenden revolutionieren» heisst es in den Projektunterlagen. Kurz zusammengefasst wird der Grademix-Konfigurator zum einen aufgrund von in den Pflegeheimen bereits erhobenen Routinedaten die Komplexität der Pflege- und Betreuungsbedürfnisse der Bewohnenden errechnen. Und zum anderen geht es dann darum, auf dieser Basis zu bestimmen, wie viel Personal auf der Sekundär- und der Tertiärstufe nötig ist, um die Bedürfnisse zu erfüllen. Ein Bedürfnis der Praxis «Es gibt derzeit keine Erhebung des Personalbedarfs, die auf der Erfassung von Daten zur Komplexität der Situation der Bewohnenden beruht, weder national noch international», unterstreicht Co-Projektleiterin Stefka Goldschmid die Bedeutung des Projekts. Sie ist Leiterin Besa-Schulungen und Pflegeentwicklung der Besa Qsys AG. Die beiden zentralen Elemente des Grademix-Konfigurators stellen denn auch die grossen Innovationsschritte dar. Die zwei entscheidenden Forschungsfragen lauten: «Welche Daten aus den Datensätzen der Bedarfserfassungsinstrumente Besa und Rai-NH zeigen die Komplexität der Pflege und Betreuung?» Und: «Welcher Personalbedarf auf den verschiedenen Ausbildungsstufen lässt sich daraus ableiten?» Das Projekt ist aber kein reines Forschungsprojekt, sondern ein Projekt für und mit der Praxis, betonen Stefka Goldschmid und Co-Projektleitern Sabine Hahn aufseiten der Berner Fachhochschule. Hahn ist an der BFH Leiterin Fachbereich Pflege imDepartement Gesundheit. Die Praxis, sprich: die Institutionen werden denn auch von Beginn weg und über die ganze Dauer des Projekts in die Entwicklung des Grademix-Konfigurators miteinbezogen. Um herauszufinden, ob die Heime einen solchen Konfigurator überhaupt benötigen, haben die beiden Projektpartner im letzten Sommer eine Umfrage unter den Leitungspersonen von 1350 Institutionen durchgeführt, unter all jenen also, die zur Erhebung des Pflegebedarfs die Systeme Besa oder Rai-NH verwenden. Das sind alle Pflegeinstitutionen in der Deutschschweiz, im Tessin und zudem eine Reihe von Heimen in der Romandie. Die Resultate lassen aufhorchen: Bei einem Rücklauf von rund 35 Prozent sehen knapp die Hälfte der Antwortenden einen mittleren bis sehr grossen Mehrwert des In der Pflege und Betreuung betagter Menschen können rasch komplex zu handhabende Situationen entstehen. Foto: Adobe Stock

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2NjEzOQ==