30 ARTISET 01/02 I 2023 Grademix-Konfigurators. 80 Prozent geben an, dass ihnen die Komplexität der Bewohnersituationen zur Einschätzung des Personalbedarfs wichtig sei, diese Einschätzung zurzeit aber lediglich subjektiv erfolge. In ihren Bemerkungen fügen einige Teilnehmende an, dass der Grademix-Konfigurator nicht das Problem des Fachkräftemangels lösen könne, es aber sinnvoll sei, mittels des Konfigurators die Differenz zwischen dem Ist- und Soll-Zustand aufzuzeigen. Es brauche datenbasierte Argumente für Finanzierer, Politik und Behörden. Über die Hälfte der an der Befragung teilnehmenden Institutionen sind denn auch bereit, den Grademix-Konfigurator einzusetzen – und knapp ein Viertel möchte sich in der Begleitgruppe an der Entwicklung des Projekts beteiligen. Mehrwert ohne Mehraufwand Die aktuelle Stellenplanung in den Pflegeheimen orientiere sich, so Goldschmid, wesentlich an indirekten Indikatoren wie den Vorgaben der Kantone und der Grösse der Institutionen, bestimmt durch die Anzahl bewilligter Betten. Auch die verschiedenen Schichten müssen über einen bestimmten Grademix verfügen. Wichtige Kriterien, wie die Komplexität der Situation der Bewohnenden, institutionelle Besonderheiten oder Spezialisierungen, etwa im Bereich Demenz oder Palliative Care, werden hingegen nur unzureichend berücksichtigt. Die Stellenplanungstools der Systeme Besa oder Rai-NH berücksichtigen neben den behördlichen Vorgaben und institutionellen Besonderheiten auch den Pflegeaufwand, der durch die Krankenversicherungs-pflichtigen Leistungen entsteht. Die Summen der Pflegeminuten oder der Pflegestufe pro Bewohnerin oder Bewohner geben aber keine Auskunft darüber, wie komplex die Situation der Fälle ist. Die Komplexität zeige sich, wie Goldschmid ausführt, in der Kombination der verschiedenen Ressourcen und Probleme in medizinischer und pflegerischer Hinsicht. Weitgehend vergessen gehe, dass wir es in den Pflegeheimen mit Menschen zu tun haben, die ein Leben gelebt haben, sagt Sabine Hahn. Es kann schwierig sein für Betagte zu akzeptieren, dass Kompetenzen verloren gehen oder sich verändern. Beispielsweise müssen neue Perspektiven entwickelt werden. Wenn dann noch Belastungen in der Familie entstehen und Uneinigkeit herrscht, können sehr rasch komplex zu handhabende Situationen entstehen. Die Indikatoren respektive Kriterien, die auf eine komplexe Situation hindeuten, sind unter der Leitung von Sabine Hahn an der Berner Fachhochschule weitgehend erforscht worden. Die Herausforderung im Rahmen des Projekts bestehe, so die Pflegewissenschaftlerin, vor allem darin, inwieweit diese Indikatoren aus den in den Heimen erhobenen Routinedaten gebildet werden können. Der Grademix-Konfigurator wird mit diesen Daten «gefüttert» und errechnet dann mittels eines Algorithmus, ob die Situation eines Bewohnenden komplex ist oder nicht. Eine wichtige Aufgabe des Konfigurators sei es, wie Hahn und Goldschmid sagen, den Heimen einen Mehrwert zu bringen, ohne den Mehraufwand zu erhöhen. Relevant für die Zusammensetzung des Personals ist, wie viele Bewohnendensituationen einer Station oder auch eines Heimes als «komplex» gelten. Zu berücksichtigen sei dabei, so Sabine Hahn, die durchschnittliche Komplexität einer Gruppe – und dann aber die Abweichungen davon. Die Berechnung des dafür adäquaten Personalbestandes ist die zweite grosse Herausforderung des Projekts. Hierbei werde man wesentlich auf Forschungen aus dem Ausland zurückgreifen und diese gemeinsammit Expertinnen und Experten an die hiesigen Verhältnisse anpassen. Das Personal adäquat einsetzen Das Projekt beinhaltet zudem, dass die Heime im Hinblick auf die Zusammensetzung ihres Personals zwischen drei Qualitätslevels der Pflege entscheiden können – «sicher», «gut» und «exzellent». Die Ergebnisse des Grademix-Konfigurators werden schliesslich mittels eines Dashboards visualisiert – und somit einfach und verständlich dargestellt. Die grafische Darstellung soll vor allem auch einen Vergleich ermöglichen zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand, sagt Stefka Goldschmid. Verknüpft werden die Ergebnisse des Konfigurators zudem mit Zufriedenheitsbefragungen der Mitarbeitenden. «Bei der Berücksichtigung der Komplexität geht es nicht einfach darum, immer mehr tertiär ausgebildetes Fachpersonal im System zu haben», meint Sabine Hahn. Der Konfigurator ziele vielmehr darauf ab, dass die Pflegenden auf den verschiedenen Ausbildungsstufen wirklich das machen können, wofür sie ausgebildet sind. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steige, wenn sie ihren Kompetenzen entsprechend eingesetzt sind. Hahn: «Der Fachkräftemangel zwingt dazu, die Pflegenden dort einzusetzen, wo sie benötigt werden». «Es gibt derzeit keine Erhebung des Personalbedarfs, die auf der Erfassung von Daten zur Komplexität der Situation der Bewohnenden beruht, weder national noch international.» Stefka Goldschmid, Leiterin BesaSchulungen und Pflegeentwicklung der Besa Qsys AG. Aktuell
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