Gewalt verhindern Magazin ARTISET 1-2 2023

ARTISET 01/02 I 2023 31 Aktuell Bund und Kantone sollen mehr Verantwortung in der stationären Langzeitpflege übernehmen – mittels Vorgaben und finanzieller Unterstützung. Das fordert ein nationales Komitee aus Expertinnen und Experten. Gabriela Bieri, Ärztliche Direktorin der Gesundheitszentren der Stadt Zürich für das Alter* und Mitglied der Kerngruppe des Komitees, erläutert die Empfehlungen. Interview: Elisabeth Seifert «Die Heime sind Teil des Gesundheitswesens» Frau Bieri, ein nationales Komitee, in dem Sie wesentlich mitgewirkt haben, kommt zum Schluss, dass die Coronapandemie längst bestehende grundsätzliche Probleme der stationären Langzeitpflege sichtbar gemacht hat: Woran denken Sie hier ganz besonders? Die Bedürfnisse der Bewohnenden haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Das klassische Altersheim, wo man vor allem aus sozialen Gründen wohnt, das gibt es nur noch sehr selten. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben hohe Ansprüche an die Rehabilitation, sie haben oft Demenz oder eine andere psychische Erkrankung. Die ärztliche und pflegerische Versorgung der Heimbewohnenden hat sich aber oft noch nicht an diese veränderte Situation der Bewohnenden angepasst. Können Sie das konkretisieren? In einemgrossenTeil der Kantone erfolgt die ärztliche Versorgung der Heimbewohnenden durch Hausärztinnen und Hausärzte. Da es aber immer weniger Hausärztinnen und Hausärzte gibt, finden diese kaum mehr Zeit, die Bewohnenden in den Heimen zu besuchen. Hinzu kommt, dass es für die Hausärzte auch finanziell nicht attraktiv ist, solche Besuche in den Heimen zu machen. Anders als etwa imKanton Zürich gibt es in vielen Kantonen keinen zuständigen Heimarzt. Es gibt also niemanden, der die spezifischen Bedürfnisse der Bewohnerschaft kennt und für generelle Massnahmen zuständig ist. Zum Beispiel die Hygiene oder epidemiologische Fragen betreffend, was gerade in der Coronazeit von grosser Bedeutung war. Neben der ärztlichen Versorgung haben Sie auch die Pflege angesprochen… Der Kanton Zürich und auch viele anderen Kantone machen Vorgaben bezüglich der Anzahl und der Qualifikation von Fachpersonen. Das sind aber Minimalanforderungen, die aufgrund der Struktur der Bewohnerschaft eigentlich zu tief sind. Aufgrund der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt lassen sich nicht einmal diese erfüllen. Zudem braucht es spezialisierte Fachpersonen wie Pflegeexpertinnen, Demenz- und Psychiatrieexpertinnen oder Hygienefachfrauen. «Aufgrund der immer komplexeren gesundheitlichen Situation der Bewohnenden übernehmen die Heime eine immer wichtigere Aufgabe. Deshalb müssen sie entsprechend eingebettet sein.» Gabriela Bieri

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