Gewalt verhindern Magazin ARTISET 1-2 2023

ARTISET 01/02 I 2023 7 Im Fokus Die Zahlen lassen aufhorchen: Jahr für Jahr sind hierzulande 300000 bis 500000 Menschen im Alter von 60 Jahren und darüber von irgendeiner Form von Gewalt betroffen, von psychischer Gewalt, von physischem oder finanziellem Machtmissbrauch. Ein grosses Problem sind auch Vernachlässigungen unterschiedlicher Art. Oft sind die betagten Menschen dabei von einer Kombination mehrerer Gewaltformen betroffen. Neben der Tatsache als solche gibt zu denken, dass solche Zahlen, die notabene blossen Schätzungen entsprechen, erst seit wenigen Jahren ins öffentliche Bewusstsein dringen. Genannt wurden sie erstmals in Bericht des Bundesrates «Gewalt im Alter verhindern», der im Jahr 2020 als Antwort auf ein parlamentarisches Postulat publiziert worden ist. Nur ein verschwindend kleiner Teil all dieser Fälle wird bekannt. Dies zeigt etwa die Zahl der Meldungen bei der nationalen Anlaufstelle Alter ohne Gewalt, die ältere Menschen und ihr Umfeld bei der Klärung, Vermittlung und Schlichtung in Konfliktsituationen und in Misshandlungssituationen unterstützt. Die im Jahr 2019 lancierte nationale Anlaufstelle mit der Telefonnummer 0848 00 13 13 wird jährlich in gut 200 Fällen von vermuteter Misshandlung kontaktiert. «Information und Sensibilisierung zur Gewalt im Alter ist dringend notwendig», sagt denn auch Ruth Mettler Ernst, Geschäftsleiterin der Anlaufstelle, die auf Anfang 2022 zum «ersten Nationalen Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt» erweitert worden ist. Auch bei der Misshandlung von Kindern habe es lange gedauert, bis die Öffentlichkeit davon Kenntnis genommen hat. Die Sensibilisierung für die Gewaltthematik im Alter sei dabei umso wichtiger, da der Anteil der älteren Menschen in der Gesellschaft immer grösser wird und insbesondere hochbetagte Menschen sehr verletzlich sind. Während die breite Öffentlichkeit erst langsam auf das Thema aufmerksam wird, sind die drei selbstständigen Organisationen Alter Ego (Westschweiz), Pro Senectute Ticino e Moesano (Südschweiz) und die Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter UBA (Deutschschweiz) bereits seit über 20 Jahren in diesem Bereich tätig. Mit der Gründung des nationalen Kompetenzzentrums haben sich diese Organisationen ein gemeinsames Dach gegeben, um ihre Aufklärungsarbeit zur Verhinderung von Gewalt im Alter voranzutreiben. Unterstützt wird das Zentrum vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) im Rahmen des Programms zur Unterstützung von Projekten im Bereich der häuslichen Gewalt. Sich frühzeitig melden «Unsere Mission ist es, der Gewalt durch präventive Arbeit zu begegnen», betont Ruth Mettler Ernst. Sie leitet neben dem nationalen Kompetenzzentrum seit vielen Jahren die Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter. Im Blick hat das Kompetenzzentrum sowohl Gewalt im häuslichen als auch im institutionellen Bereich. «80 Prozent der Fälle, die wir bearbeiten, betreffen den häuslichen Bereich, 20 Prozent Pflegesituationen im institutionellen Bereich.» Ein Verhältnis, das über die Jahre gleich geblieben sei, so Mettler Ernst. In den eigenen vier Wänden sei dabei oft die Überforderung betreuender Angehöriger die Ursache von Konflikten bis hin zu Misshandlungen. «Angehörige sind sich oft zu wenig bewusst, was Betreuungsarbeit und die Pflege bedeuten, und schlittern so, ohne dies zu wollen, in eine sie belastende Situationen hinein.» Im institutionellen Bereich ortet Mettler die Ursachen unter anderem im fehlenden Wissen zu den verschiedenen Formen von Gewalt. Zudem können Stresssituationen und Personalmangel dazu führen, dass es insbesondere zu psychischer Gewalt oder auch Vernachlässigungen kommt. «Im institutionellen Bereich werden Beispiele aus der Beratung des Kompetenzzentrums finden Sie hier:

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