Gewalt verhindern Magazin ARTISET 1-2 2023

8 ARTISET 01/02 I 2023 wir zudem auch mit Fällen konfrontiert, bei denen die Pflegenden von den Gepflegten in irgendeiner Form attackiert werden.» Eine zentrales Aufgabenfeld des Kompetenzzentrums besteht darin, Gewaltbetroffene, Angehörige, Nachbarn und Freiwillige sowie Fachpersonen in einer konkreten Situation persönlich zu beraten und zu unterstützen. «Damit wir möglichst frühzeitig nach Lösungen suchen können, ist es wichtig, dass wir auch möglichst früh Meldung erhalten», hält die Expertin fest. Wer sich über die Telefonnummer 0848 00 13 13 bei der nationalen Anlaufstelle meldet, wird dabei automatisch zu einer der drei sprachregional tätigen Organisationen tragiert. Psychische Gewalt und Vernachlässigung Ob im Tessin, in der Westschweiz oder in der Deutschschweiz: Fachpersonen zum Thema Gewalt, die entweder ehrenamtlich tätig oder festangestellt sind, nehmen die Anrufe entgegen, leisten eine erste Beratung und geben die Fälle dann weiter, an Fachorganisationen oder wiederum an ehrenamtliche, pensionierte Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen – von Medizin über Recht bis hin zu ehemaligen Heimleitenden. Bei der UBA sind gemäss dem Vieraugenprinzip sowie dem Grundsatz interprofessioneller Fallführung immer zwei Fachleute involviert. «Ein Fall kann recht aufwendig sein», weiss Ruth Mettler Ernst. Die Fachleute nehmen erneut mit der meldenden Person Kontakt auf und erarbeiten Lösungsmöglichkeiten. «Dabei geschieht alles vertraulich, und sofern keine akute Gefährdung vorliegt, werden keine Entscheide über die Köpfe der Meldenden hinweg getroffen.» Allein für die UBA, die zusätzlich zu Gewaltthemen auch in Konflikten unterschiedlichster Art berät und unterstützt, sind 70 freiwillige Fachpersonen tätig. Die mit dem Thema Gewalt im Alter befassten Fachpersonen der drei Organisationen UBA, Alter Ego und Pro Senectute Ticino e Moesano kommen regelmässig zu Weiterbildungen und anonymisierten Fallbesprechungen zusammen. Obwohl die nationale Statistik für das Jahr 2022 noch nicht abgeschlossen ist, zeichnen sich über 200 Fälle ab, dies entspricht in etwa den Zahlen der letzten Jahre. Gut drei Viertel der von Gewalt Betroffenen sind weiblich. Im Durchschnitt sind die Betroffenen gut 80 Jahre alt. Und, so Mettler: «Wie bereits in den Vorjahren sind Vernachlässigungen und psychische Gewalt die beiden grossen Themen.» Die Meldungen erfolgen insbesondere durch die Gewaltbetroffenen selbst und von Angehörigen. Um gute, nachhaltige Lösungen zu finden, werde auch immer das Umfeld einbezogen, betont Mettler. Das nationale Kompetenzzentrum arbeite zu diesem Zweck mit einer Reihe von Partnern im Bereich der Altershilfe zusammen. «Konflikte können aber nur dann nachhaltig gelöst werden, wenn alle Involvierten mitarbeiten.» Dies gelinge oft, aber längst nicht immer. «Es braucht vonseiten der ehrenamtlich tätigen Fachpersonen ein gewisses Mass an Frustrationstoleranz. Man muss aushalten können, dass es manchmal keine Lösung gibt.» Das Kompetenzzentrum bekannter machen Zusätzlich zur persönlichen Unterstützung in einer spezifischen Situation engagiert sich das nationale Kompetenzzentrum in der Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie des Fachpersonals in Organisationen der Langzeitpflege. Dazu gehören Weiterbildungen für Mitarbeitende in Pflegeheimen und der Spitex, aber etwa auch für freiwillig Mitarbeitende, z. B. von Fahrdiensten. «Die zurzeit oft nur in einer Sprachregion und zu bestimmten Schwerpunkten durchgeführten Weiterbildungen sollen zusammengeführt und national nutzbar gemacht werden», erläutert Mettler ein wichtiges Ziel. Ein weiteres – langfristiges – Ziel besteht darin, die von verschiedenen Organisationen einschliesslich der Polizei erstellten Statistiken zu einer einzigen nationalen Statistik zur Gewalt im Alter zusammenzuführen. Einen Sensibilisierungsschub erhofft sich Ruth Mettler von einer im kommenden Frühling durch die von der Schweizerischen Kriminalprävention lancierten Kampagne gegen Gewalt im Alter, an der sich gerade auch das nationale Kompetenzzentrum prominent beteiligen wird. «Unser Netzwerk dürfte damit bei Betroffenen und Angehörigen noch bekannter werden.» Eine weitere Aufgabe des Kompetenzzentrums besteht darin, das über viele Jahre innerhalb der drei sprachregionalen Organisationen von UBA, Alter Ego sowie der Pro Senectute Ticino e Moesano erarbeitete Fachwissen zusammenzutragen, zu systematisieren – und anderen Organisationen, einschliesslich der Wissenschaft, zur Verfügung zu stellen. Bereits beteiligt hat sich das Kompetenzzentrum an einer Studie der Fachhochschule Luzern, deren Ergebnisse in den eingangs erwähnten Bericht des Bundesrates eingeflossen sind. «Konflikte können nur dann nachhaltig gelöst werden, wenn alle Involvierten mitarbeiten.» Ruth Mettler Ernst, Geschäftsleiterin des Kompetenzzentrums Nationales Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt: Hotline (Normaltarif): 0848 00 13 13. E-Mail: info@alterohnegewalt.ch. ➞ alterohnegewalt.ch Im Fokus

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