ARTISET 10/11 I 2024 21 Im Fokus Die Brühlgut Stiftung in Winterthur bietet mit einem speziell angepassten Neubau Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen im Autismus-Spektrum mit herausforderndem Verhalten – ein rares Angebot in der Schweiz. Geschäftsführer Andreas Paintner erläutert das dazugehörende Konzept und die baulichen Massnahmen. Von Salomé Zimmermann Die Brühlgut Stiftung in Winterthur setzt sich aus einer Vielfalt an Angeboten für Menschen mit Behinderungen an verschiedenen Standorten zusammen. Nun wurde ein neues Wohnhaus gebaut, das «Haus 52d», das am Standort Wyden von Personen mit hohem Strukturbedarf aufgrund herausfordernden Verhaltens bewohnt wird. Auf drei Etagen bietet das Gebäude Platz für zwölf erwachsene Männer und Frauen, die in Vierergruppen leben, eine Tagesbetreuung erhalten und in den dazugehörenden Räumen auch Therapiemöglichkeiten haben. Die Bewohnenden sind Menschen im Autismus-Spektrum mit schweren Einschränkungen. Besonders betroffen ist der Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung, die mit dem zentralen Nervensystem in Verbindung steht – die Symptome treten meistens bereits in den ersten Lebensjahren auf. Die Auswirkungen des Autismus zeigen sich in Störungen der Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Denn: Kognitive, sprachliche, motorische und emotionale Funktionen sind betroffen, je nach Person in unterschiedlichem Ausmass und Ausprägung. Klare Strukturen und reizarme Umgebung Andreas Paintner ist Geschäftsführer der Brühlgut Stiftung und erklärt, dass die Bewohnergruppe mit Autismus sehr intensive Betreuung braucht. Das Konzept, das die Stiftung mit ihren Fachmitarbeitenden verfolgt, beruht auf einer klaren Strukturierung des Alltags sowie einer reizarmen Umgebung – so erfahren die Menschen Sicherheit und Stabilität. Und hier spielt der Neubau eine grosse Rolle, denn er ist auf die speziellen Bedürfnisse ausgerichtet. «Die Zimmerdecken sind höher, die Gänge und die Treppen breiter als in den anderen Bauten», führt Andreas Paintner aus, «zudem sind die Räume so gestaltet, dass störende Reize minimiert werden, etwa durch besondere Schalldämmung der Zimmer und schwer verrückbare und strapazierfähige Möblierung». Die Farbgebung sei dezent, und der Einsatz von Holz schaffe eine beruhigende Atmosphäre. Der dazugehörige Garten wurde naturnah gestaltet, mit Hecken und Sträuchern aus einheimischen Pflanzen. «Ziel ist es, dass die Bewohnenden zusammen mit den Betreuungspersonen ihre Kompetenzen entwickeln und ihre Selbständigkeit erweitern können – und so ihre Lebensqualität verbessert wird.» Es geht also um Selbstbefähigung und Teilhabe. Grosse Nachfrage Die Nachfrage nach solchen Plätzen ist gross – es gibt nicht viele Wohn- und Betreuungsplätze dieser Art – und kann, so Paintner, auch mit dem neuen Angebot nicht gedeckt werden: «Alle Plätze sind bereits belegt, von Personen, die bisher schon im Brühlgut lebten wie auch von extern dazustossenden Männern und Frauen.» Der Einzug findet gestaffelt seit der Eröffnung im Sommer statt. «Durch die Einbettung des Neubaus ins Areal Wyden können die Bewohnenden sich selbständig auf dem Gelände bewegen und zum Beispiel das hauseigene Restaurant besuchen oder auch Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb der Stiftung wahrnehmen», führt Andreas Paintner aus. Bisher sei die Autismus-Wohngruppe separat von den anderen Angeboten betrieben worden. «Das Projekt führt damit zur besseren Integration und Gleichstellung von Menschen im Autismus-Spektrum im Bereich Wohnen und Beschäftigung», sagt Andreas Paintner.
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