Ethische Fragen stellen | Magazin ARTISET | 10 / 2022
24 ARTISET 10/11 I 2022 EineMitarbeitende und ein Auszubildender bei der Arbeit amEmpfang des «Züriwerk»-Hauptsitzes. Foto: Züriwerk Im Fokus Kurt Orlandi, die Arbeit indes interes- santer gemacht. «Wir werden immer stärker als Teil des Arbeitsmarktes wahrgenommen», beobachtet er. Sich selbst gleichsam zu einem Teil des Ar- beitsmarktes gemacht hat der Ausbil- dungsbetrieb Perspektive Plus in Thi- elle NE. Um den Auszubildenden mit Beeinträchtigung das Gefühl zu geben, in den regulären Arbeitsprozess integ- riert zu sein, arbeitet Perspektive Plus mittels mehrerer eigener Mikrounter- nehmen mit Mandaten aus der Wirt- schaft. JedenTag bearbeiten die jungen Menschen, unterstützt von Fachperso- nen, diese Mandate – oft direkt bei den Kunden vor Ort. «Mit der Unterstüt- zung der Fachpersonen können die jungen Leute die hohen Anforderun- gen gut bewältigen», beobachtet Ge- schäftsführer Thierry Zimmermann. Der finanzielle Druck macht zu schaffen Werden die hohen Anforderungen der Wirtschaft positiv gewertet, bereiten innerhalb der Branche Entwicklungen und Erwartungen vonseiten der Gesell- schaft doch zunehmend Sorgen. So sehen sich die sozialen Unternehmen damit konfrontiert, dass die Finanzie- rung durch die öffentliche Hand, sprich: durch die Kantone, restriktiver gehandhabt wird. Damit steigt der Druck, sich über die produktive Leis- tung zu finanzieren. Für die Arbeits agoginnen und Arbeitsagogen bedeutet dies, dass der Fokus in der Tendenz auf der wirtschaftlichen Produktivität liegt. Tendenziell stehe den Institutionen immer weniger Geld zur Verfügung, beobachtet Jenny Hofmann von «Züriwerk». «Wir spüren stark den Trend in Richtung Unternehmertum.» Und: «Die Erwartungshaltung ist gross, dass wir gemeinsam mit unseren Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Erträge über Produkte und Dienstleis- tungen erwirtschaften.» Kurt Orlandi vom ebenfalls im Kan- ton Zürich domizilierten «Drahtzug» beobachtet, dass der Kanton bei der Vergabe öffentlicher Gelder für den Aufwand bei der Begleitung der Klien- tinnen und Klienten immer genauer hinschaut. Viele Leistungen seien nicht mehr anrechenbar, was den «Draht- zug», wo Menschen mit oft schweren psychischen Beeinträchtigungen arbei- ten, vor eine Herausforderung stellt. «Damit haben wir unter dem Strich weniger Geld, was sich negativ auf die notwendigen Ressourcen der Arbeits agoginnen und Arbeitsagogen aus- wirkt.» Das führe dann natürlich zu einem höheren Druck. Dieser Druck verschärfe sich, weil die kantonalen Auflagen bezüglich der Dokumentati- on der Mitarbeitenden-Entwicklung und der Entwicklungsplanung steigen. Den verstärkten Druck erklärt Jenny Hofmann damit, dass die sozialen Unternehmen respektive die «geschütz- ten Arbeitsplätze» einen zunehmend schweren Stand in der Gesellschaft ha- ben. Die Postulate der UN-Behinder- tenrechtskonvention fordern die Inklu- sion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft. Hofmann: «Wir stehen immer stärker in der Pflicht, in- klusive Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Grundhaltung teilen wir, es braucht dazu jedoch die ganze Gesellschaft.» Begleitung im regulären Arbeitsmarkt «Züriwerk» unterstützt denn auch be- reits seit etlichen Jahren Menschen mit Beeinträchtigung mittels «Supported Employment» im regulären Arbeits- markt. Trotz entsprechender Bemü- hungen sei dies allerdings, jedenfalls noch, ein sehr kleiner Teil all jener Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz auf Unterstützung angewiesen sind. Die meisten arbeiten im geschützten Rahmen. Auch wenn es hier sicher noch Po- tenzial gebe: Es sei unwahrscheinlich, so Hofmann, dass die reguläre Wirt- schaft allenMenschenmit Behinderung
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