Ethische Fragen stellen | Magazin ARTISET | 10 / 2022

ARTISET 10/11 I 2022  33 Bereits die zur Zulassung von Gesundheitsbetrieben verant­ wortlichen Kantone kennen vielfältige Vorgaben für Pflege­ heime. Von der Zimmergrösse über die Personaldotation bis hin zum Menüplan und den wöchentlichen Aktivitäten bestehen von Kanton zu Kanton ganz unterschiedliche Vor­ gaben unter demTitel «Qualität». Zunehmend mischt auch der Bund mit, welcher im KVG zuletzt die Artikel 58 und Folgende ergänzt hat. Darin werden die Betriebe nebst der bereits bestehenden Pflicht zur Erhebung von Qualitäts­ indikatoren auch noch zur konkreten Umsetzung von Qua­ litätsentwicklungsmassnahmen genötigt. Klar ist: Der Trend geht hin zu immer mehr Vorschriften, Kontrollen und Kennzahlen. Politische Gremien und auch die Bevölkerung verlangen nach Zahlen, sie wollen Qualität messen und vergleichen. Solche Zahlen können aber nur Indizien sein und nie die wirkliche Qualität messen. Dies gilt umso mehr, als Bewohnende von Pflegeheimen immer stärker auf Individualität pochen und sich ihre Ansprüche wandeln. In den Fokus rücken sollte deshalb vielmehr, was der Mensch als gute Qualität empfindet – namentlich die Mitarbeitenden und vor allem die Bewohnenden. Beziehungen zwischen Menschen gestalten Trotz der Vielfalt an Vorschriften und Messungen darf nicht vergessen werden, dass Heime in erster Linie Dienstleis­ tungsunternehmen sind. Sämtliche Prozessdokumentatio­ nen und Qualitätsindikatoren sind wenig bis nichts wert, wenn die zu einer Dienstleistungsunternehmung unabding­ bar gehörende Grundhaltung nicht gelebt und permanent weiterentwickelt wird. Echt spürbare Qualität fängt immer dort an, wo es darum geht, Beziehungen zwischen Men­ schen bewusst zu gestalten, Dienstleistungen mit einer die­ nenden Komponente zu verbinden und beides im Alltag zu leben. Selbst perfekt ausgeführte Pflegeprozesse haben keine gute Qualität, wenn man nicht auf die betroffene Person eingeht, einfühlsam und liebevoll handelt. Für die Qualität ist der wichtigste Ausgangspunkt die konkrete Erwartungshaltung der Kunden. Genau an dieser Stelle setzt eine qualitätsorientierte Führung an. Sie definiert zusammen mit den Beteiligten geeignete Rahmenbedingun­ gen, sie erarbeitet Grundsätze in der Haltung und damit im Verhalten jedes einzelnen Menschen. So wird Qualität spür­ bar. Und erst wenn dieses Fundament festgeschrieben, ver­ standen und gelebt wird, gewinnt auch fachliche Qualität die Bedeutung und Wirkung, welche ihr zustehen. Ein einfaches, wirkungsvolles Instrument Zum Thema «Qualitätssicherung» existieren bereits viele Berater und Anbieter von Produkten. Will nun der Verband Senesuisse mit dem eigenen Programm «Q by senesuisse» auch noch in diesem Markt mitmischen? Diese berechtigte Frage kann klar verneint werden: Die Kursteilnehmenden sowie die umsetzenden Betriebe bestätigen, dass «Q by senesuisse» eine neue Perspektive zumThema Qualität bietet. Folgende Aussage eines Seminarteilnehmers bestätigt dies: «Man kann das Herz der Mitarbeitenden treffen und sie mit einem echten, sinnvollen Virus infizieren, das sich auto­ matisch auf die Kunden überträgt.» Mit einfachen Instrumenten trainiert «Q by senesuisse» das Denken aus der Optik der Bewohnenden. Es stellt die übergeordnete Dienstleistungshaltung in den Fokus und will sie in der Folge für alle Fachbereiche in einem Pflegeheim nutzbar machen. Bessere Dienstleistungen werden durch die Arbeit an sogenannt «kritischen Ereignissen» in der Betrach­ tung des Tagesablaufs erreicht. Jährliche Massnahmenpläne und ein Qualitätsprofil runden die Themen ab und stellen wirkungsvolle und effizient zu handhabende Mittel dar. Der Kursleiter Hans Peter Spreng erlebt es wie folgt: «Die Teilnehmer schätzten die einfache Handhabung des Systems, welches gut ins ‹daily business› passt. Das Instrument wurde als schlau bezeichnet, als ideal für kleinere Häuser und auch als geeignet für grosse Einrichtungen, um Bewegung in die Haltung der Menschen zu bringen.» Um «Q by senesuisse» im eigenen Betrieb anwenden zu können, werden Qualitäts-Coaches ausgebildet. Für die Q-Stufe I werden in einer eintägigen Schulung die Grund­ prinzipien des Qualitätsmanagements vermittelt, es werden Methoden und Mittel zur Steigerung der Dienst­ leistungsqualität aufgezeigt sowie verschiedene Q-Instru­ mente erarbeitet und für den Einsatz im Betrieb In der Politik werden die Vorgaben zur Qualität im Gesundheits­ wesen von Jahr zu Jahr verschärft. Besonders für die Leitenden der Alters- und Pflegeheime, die ja auch ein Wohnort für längere Zeit sind, stellt sich die Frage: Wie lassen sich alle Vorschriften und gleichzeitig die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner erfüllen? Von Christian Streit*

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