Wenn die seele hilfe braucht | Magazin ARTISET |10-11-2023

ARTISET 10/11 I 2023 11 Wie erklären Sie die Therapieresistenz? Wenn bei einer Person zum Beispiel schon in jüngeren Jahren Antidepressiva eingesetzt worden sind, dann kann es zu einem Abbau an entsprechenden Rezeptoren im Gehirn kommen. Die betagten Menschen benötigen zudem, wie ich bereits erwähnt habe, viele andere Medikamente, was zu unerwünschten Interaktionen führen kann. Wir setzen Medikamente deshalb in vorsichtiger und niedrigerer Dosierung ein. Damit sind wir im Bereich der medikamentösen Behandlung aber weniger effektiv. Sie zeichnen ein komplexes Bild der psychiatrischen Krankheitsbilder im Alter. Ist sich die Gesellschaft dieser Problematik bewusst? Die Sensibilisierung schreitet voran. Die Schweiz macht sehr viel, gerade auch im internationalen Vergleich. Erwähnen möchte ich besonders die nationale Demenzstrategie von 2014 bis 2019. Diese hat im Bereich der Prävention und Diagnostik viel bewirkt. Wir von der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie haben parallel dazu Therapieempfehlungen im Bereich Demenz entwickelt sowie für Altersdepressionen, für Abhängigkeitserkrankungen oder für das Delir im Alter. Medikamentöse Therapien werden zunehmend kritisch betrachtet. Derzeit erarbeite ich gerade eine Revision unserer Empfehlungen, zwei Drittel davon sind nicht-pharmakologische Massnahmen. Für viele alterspsychiatrische Krankheitsbilder reichen diese aus. Es gibt aber Krankheiten, die auf eine medikamentöse Therapie angewiesen sind. Wir müssen dafür die verschiedenen Medikamentengruppen sehr differenziert betrachten. Sedativa, dazu zählen Benzodiapezine und Hypnotica, empfehlen wir wirklich gar nicht. Diese Medikamente können bei alten Menschen Delir verursachen und zu Abhängigkeiten führen. …kommen solche Medikamente in der Praxis dennoch zum Einsatz? Das war vor allem noch vor einigen Jahrzehnten der Fall. Heute sind gerade auch in Alters- und Pflegeheimen Antipsychotika verbreitet. Auch diese Medikamentengruppe müssen aber kritisch betrachtet werden, weil es ebenfalls zu Nebenwirkungen kommt. Es gibt sehr starke Antipsychotika, die bei Wahn oder Halluzinationen angewendet werden, und es gibt schwächere Medikamente, die bei Aggressivität und Unruhe oder auch als Schlafmittel zum Einsatz kommen. Alterspsychiater Egemen Savaskan: «Für viele alterspsychiatrische Krankheitsbilder reichen nicht-pharmakologische Massnahmen aus.» Foto: PUK Im Fokus

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