kurz & knapp 30 ARTISET 10/11 I 2023 kurz & knapp Jugendliche Delinquenten In der Schweiz wurden im Jahr 2022 187 Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren eines Raubes beschuldigt – mit oder ohne Waffe. 2021 waren es 161 gewesen, und 2015 – das Jahr mit der geringsten Zahl – waren es 17 gewesen. «Die Tendenz bei diesen Raubtaten ist deutlich ansteigend», sagt Dirk Baier, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zu Jugendkriminalität forscht. Auf die Frage, warum ein 13-Jähriger – in den allermeisten Fällen sind die Täter männlich – einen Raub begeht, gibt es keine einfache Antwort. Manchmal gehe es einfach darum, «sich etwas leisten zu können, zum Beispiel das neuste Smartphone», sagt Baier. In anderen Fällen würden die Taten verübt, um sich in einer Clique Anerkennung zu verschaffen. Seltener als Motiv sei in dieser Altersgruppe die Finanzierung einer Sucht. Allgemein würden bei gegebenem Haftgrund auch Minderjährige in Untersuchungshaft genommen. Die Inhaftierung erfolge in der Regel in einem Jugendheim. Die Eltern des Beschuldigten haben prinzipiell das Recht, bei der Einvernahme dabei zu sein. Sylvia Wagner, «heim gesperrt», Correctiv Verlag, 250 Seiten, ca. 29 Franken Behinderung I: Im Kanton Zürich verlangt eine Behördeninitiative, dass auch Menschen, die «wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft» vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen sind, dieses bekommen sollen. Behinderung II: Die EU-Kommission plant einen europaweit gültigen Ausweis für Behinderte. Dieser soll einen gleichberechtigten Zugang zu Sonderbedingungen bei öffentlichen und privaten Dienstleistungen ermöglichen. Kinder & Jugendliche I: Das Luzerner Kantonsgericht muss sich nach einem Entscheid des Bundesgerichts noch einmal mit dem Fall eines afghanischen, heute 15-jährigen Mädchens befassen, das von der Kesb vor einer angeblichen Zwangsehe geschützt wurde und dessen Eltern darum das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden war. Kinder & Jugendliche II: Im Kanton Bern hat das Pilotprojekt ZFIT, ein Zentrum für Familien in Trennung, seinen Betrieb aufgenommen. Menschenversuche im Heim Sie schreibt zwar über die Zustände in Deutschland. Doch Fälle, wie Sylvia Wagner sie in ihrem Roman «heim gesperrt» beschreibt, gab es auch in der Schweiz – traurige Berühmtheit erhielt vor ein paar Jahren die Psychiatrische Klinik Münsterlingen im Thurgau, wo Kinder und Jugendliche während vieler Jahre für Tests von Psychopharmaka missbraucht wurden. Sylvia Wagner ist gleich doppelt legitimiert, solche Menschenversuche zu thematisieren: Sie war selbst ein Heimkind und hat später als Pharmaziehistorikerin zu Medikamentenversuchen an Heimkindern in den 1950er bis 70er Jahren geforscht. Die eigenen Kindheitserfahrungen und ihre Forschungsergebnisse sind eingeflossen in ihren «faktenbasierten Roman». In ganz Deutschland wurden Medikamente an Heimkindern erforscht – ohne deren Zustimmung, ohne die Einwilligung der Eltern und teils durch Ärzte, die bereits während des Nationalsozialismus an Menschenversuchen beteiligt waren. Das Buch ist erschütternd – aber auch spannend und ergreifend.
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