ARTISET 10/11 I 2023 35 Aktuell Der Branchenverband Curaviva ist eng verknüpft mit der «Vision Wohnen im Alter». Die zentralen Eckwerte definiert hat Markus Leser*, Senior Consultant von Curaviva und zuvor Geschäftsführer des Verbands. Im Januar geht er in Pension. Der promovierte Gerontologe hat Curaviva während 20 Jahren mit seiner fachlichen Expertise geprägt. Interview: Elisabeth Seifert « In der Langzeitpflege steckt ein grosses Potenzial» Herr Leser, was bedeutet es für Sie als Profi für das Alter, selbst älter zu werden? Oder anders gefragt: Wie wird man professionell älter? Kann man professionell älter werden? Ich glaube, das geht nicht. Seit rund 40 Jahren, ich war damals 27 Jahre alt, beschäftige ich mich mit Altersfragen. Etwas wissen über das Alter und das Alter selbst erleben, das ist aber nicht das Gleiche. Wissen kann man nicht in Emotionen übersetzen. Jetzt spüre ich den Abschied von dem, was mich Jahrzehnte lang begleitet hat. Es ist ein Einschnitt, den ich aber nicht als negativ empfinde. Der Abschied ist für mich eng mit dem Aufbruch in eine neue Lebensphase verbunden, was ich als sehr aufregend empfinde. Mit der Pensionierung bin ich erstmals seit meiner Studienzeit wieder völlig frei und kann die Zeit so gestalten, wie ich möchte. Wie gehen Sie mit dem Krankwerden im Alter um, gerade auch dann im hohen Alter? Ich hoffe, dass ich lange so gesund bleiben kann wie jetzt. In meinem Umfeld erlebe ich aber, dass dies nicht selbstverständlich ist. Wenn Bekannte in meinem Alter an einem Hirnschlag oder an Krebs sterben, dann gibt mir das zu denken. Die Gesundheit wird plötzlich zu einem sehr wichtigen Gut. Das hohe, multimorbide Alter ist nochmal etwas anderes. Ein ehemaliger Professor von mir, der jetzt 85 Jahre alt ist, sitzt im Rollstuhl und ist vollständig auf Hilfe angewiesen. Vor einer solchen Situation habe ich Respekt, auch eine gewisse Angst. Mein Wissen hilft mir aber, mich gut auf diese Zeit vorzubereiten, zum Beispiel mit einer Patientenverfügung. Während viele Menschen der Auseinandersetzung mit dem Altwerden und dem Lebensende so lange wie möglich aus dem Weg gehen – beschäftigen Sie sich seit Ihrer Jugend mit diesen Themen. Weshalb das? Nach dem Abschluss meines Studiums in Sozialarbeit bewarb ich mich eher zufällig auf die Stelle als Koordinator der Altershilfe in der Region Basel. Es gab gerade mal zwei Bewerber, niemand interessierte sich damals für das Thema. Ich bekam die Stelle, und das Thema Alter hat mich dann nicht mehr losgelassen. Das erklärt sich auch damit, dass ich eigentlich von meiner Grossmutter aufgezogen worden bin. Wir hatten einen Dreigenerationenhaushalt. Meine Grossmutter war meine psychologische Mutter. Das Thema Alter faszinierte mich
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