42 ARTISET 10/11 I 2023 des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) von 2008 die Kantone mit der stationären Unterstützung von Menschen mit Behinderung in die Pflicht genommen wurden. Mit 19 zu 16 Stimmen nahm der Ständerat die Motion zwar an, doch der Nationalrat lehnte sie klar ab, womit die Motion erledigt war. Eingeschränkte IV-Statistik So wie die BFS-Statistik von 1,7 Millionen Menschen mit Behinderungen wohl zu hoch gegriffen ist, so ergibt jene der Invalidenversicherung (IV) mit total 220 458 Versicherten im Jahr 2022 ein eingeschränktes Bild. Eine IV-Rente erhält man ab dem 18. Altersjahr bis zum Rentenanspruch mit spätestens 65 Jahren, danach werden die IV-Beiträge über die AHV abgerechnet. Die IV ist als Erwerbsersatz gedacht, falls eine Behinderung die Erwerbstätigkeit erschwert oder verunmöglicht. Kinder mit einer Behinderung sind also ausgenommen. Menschen, die ab Geburt eine Behinderung aufweisen, erhalten im Erwachsenenalter eine sogenannte ausserordentliche IV-Rente. Letztes Jahr betraf dies 27 539 Personen. Menschen mit Behinderung, die als Folge ihres tiefen IV-Grades oder einer Anstellung im allgemeinen Arbeitsmarkt keine IV-Rente beziehen, erscheinen in den Statistiken der IV nicht. Für eine wirksame Umsetzung der Inklusions-Initiative fehlen aber nicht nur verlässliche Zahlen zu den Betroffenen. Auch zum Grad der Einschränkung oder zur Art der Behinderung fehlen aussagekräftigen Daten, um gezielt Massnahmen dort zu ergreifen, wo sie am nötigsten wären oder wo möglichst viele Personen davon profitieren könnten. Die differenziertesten Angaben waren in der Somed-Statistik zu finden, mit Unterscheidung der Behinderung zwischen leicht, mittel und schwer sowie der Auflistung, ob eine körperliche, psychische, geistige oder eine Sinnesbehinderung vorliegt. Die IV-Statistik unterscheidet zwischen sechs Behinderungsursachen: Geburtsgebrechen, psychische oder nervliche Krankheiten, Krankheiten der Knochen und Bewegungsorgane, Unfall und andere Krankheiten. Die Schweregrade leicht, mittel und schwer listet die IV nur für die zusätzliche Hilflosenentschädigung auf, da der Behinderungsgrad für die Entschädigungshöhe massgebend ist. Aussicht auf bessere Datenlage Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) ist nach wie vor überzeugt, dass es dem Bund obliegt, die Daten auf nationaler Ebene zu erstellen. SODK-Generalsekretärin Gaby Szöllösy meint dazu: «Der Bund trägt die Kompetenz für die nationale Erhebung. Die Kantone liefern die Daten und unterstützen das BFS in dieser Angelegenheit, da eine interkantonale Statistikbehörde fehlt.» Deshalb erwartet die SODK, dass der Bund den rechtlichen Rahmen für eine Statistik über die Wohn- und Arbeitssituation von Menschen mit Behinderung schafft. Szöllösy setzt nun ihre Hoffnung auf die geplante Revision der eidgenössischen Behindertenpolitik: «Gespannt warten wir darauf, dass der Bundesrat im Dezember 2023 einen Schritt in diese Richtung macht.» Andreas Rieder, Leiter des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) vertritt im Einklang mit Bundesrat Alain Berset die Meinung, dass es Aufgabe der Kantone sei, gute Daten zu erheben. Im Rahmen des Schwerpunktes der Bundes-Behindertenpolitik 2023 – 2026 zur Förderung des selbstbestimmten Wohnens sollen die Beschaffung und die Art der dazu nötigen Daten erörtert werden. Das Programm, das dann eine Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes mit sich zieht, soll Ende 2023 in die Vernehmlassung gehen. Verhältnismässige Massnahmen Bei einer Annahme der Inklusions-Initiative ist eine kohärente Datenlage über die Lebens- und Wohnsituation von Menschen mit Beeinträchtigung unerlässlich. Die Forderungen der Initiative nach der Gleichstellung in allen Lebensbereichen und nach der freien Wahl von Wohnort und Wohnform sind nämlich verknüpft mit dem Zusatz, dass diese im «Rahmen der Verhältnismässigkeit» zu erfüllen sind. Es ist ein Zusatz, der, so Jonas Gerber von Inklusion Handicap, im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes, Art.11, verstanden wird. Als verhältnismässig gilt hier, wenn eine Massnahme in keinem Missverhältnis zum wirtschaftlichen Aufwand, zu Interessen des Umwelt- und Heimatschutzes sowie zu Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit steht. Verlässliche Daten bieten erst die Grundlage, um entscheiden zu können, welche Massnahmen mit welchen Mitteln verhältnismässig sind. Diese Daten hält Alt-Ständerat Joachim Eder nach wie vor als unabdingbar für eine künftige Planungsgrundlage. 2017 formulierte er dies im Rat so: «Ohne solide Datengrundlage agiert der Bund in der Behindertenpolitik im Niemandsland.» Für ihn steht fest: «Die Diskussion um die Inklusions-Initiative zeigt, dass nun diese wichtigen Daten fehlen.» «Ohne solide Datengrundlage agiert der Bund in der Behindertenpolitik im Niemandsland.» Joachim Eder, Alt Ständerat (ZG, FDP) Aktuell
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