Wenn die seele hilfe braucht | Magazin ARTISET |10-11-2023

ARTISET 10/11 I 2023 49 Mitarbeitenden hat das Fortbestehen von solchen Situationen gravierende Folgen für das Team und die ganze Institution. Aufgrund der hohen Belastung steigt die Krankheits- und Burnout-Quote. Dadurch steigt die Belastung der bleibenden Mitarbeitenden, was wiederum den Ausfall dieser Mitarbeitenden fördert. Wenn neue Mitarbeitende sich bewerben, nehmen sie während des Hospitierens die Belastung wahr und entscheiden sich für eine andere Stelle. Wiederum andere treten die Stelle an, kündigen aber nach einem oder zwei Jahren wieder, weil sie ihrer Gesundheit Sorge tragen wollen und können. Der Ruf der Institution leidet, und die Attraktivität auf dem Markt sinkt, wodurch es noch schwieriger wird, qualifiziertes Personal zu finden. Auf diese Weise entsteht nicht nur Leiden bei Menschen, sondern auch finanzieller Schaden. Die Kosten von Ausfällen, höheren Prämien der Krankentaggeldversicherung, Rekrutierung und Konflikten bei der Arbeit können enorm sein. Egal, welche Massnahmen man trifft: Wirklich befriedigende Verhältnisse wird man kaum schaffen. Dazu sind die finanziellen Rahmenbedingungen im sozialen Bereich zu schwierig. Hingegen gibt es Massnahmen, die Institutionen vor diesem Teufelskreis bewahren können: ■ Eine Institution kann ausrechnen, wie viele längerfristige Ausfälle sie jährlich hat. ■ In Zusammenarbeit mit den betroffenen Teamleitungen kann festgelegt werden, wie lange ein Team mit wie viel unbesetzten Stellenprozenten so arbeiten kann, dass die Mitarbeitenden sich zwischendurch erholen können. ■ Darauf basierend, kann ausgerechnet werden, wie viel Stellenprozente es für Springerinnen und Springer braucht. ■ Anschliessend kann festgelegt werden, in welcher Form Springerstellen geschaffen werden: Wie viele Mitarbeitende gibt es, die gerne bereit wären, zwischendurch für einige Monate ein höheres Pensum zu übernehmen? Gibt es Mitarbeitende, die es spannend fänden, nebst der fixen Teilzeitanstellung in einem Team ein fixes Pensum als Springerin oder Springer zu übernehmen? Und schliesslich: Kann man reine Springerstellen ausschreiben, und wie müssen diese gestaltet sein, damit sie attraktiv genug sind? Führungsressourcen sichern Eine weitere wichtige Massnahme ist das Sicherstellen der «Führungsressourcen». Teamleitungen brauchen genügend Stellenprozente, um ihre Führungsaufgaben wahrzunehmen. Je anstrengender die Arbeit ist, desto mehr Unterstützung und Begleitung benötigen die Mitarbeitenden. Je niedriger die vorhandenen Ressourcen, desto wichtiger ist es, zwischendurch Zeit zu haben, um sich einen Überblick zu verschaffen und zu schauen, wie man Priorisieren kann und wo schnelle Entlastung dringend nötig ist. Oft kommen Personen in Führungspositionen, ohne eine entsprechende Aus- oder Weiterbildung gemacht zu haben. Durch Führungscoachings können Institutionen nicht nur zur persönlichen Entwicklung von Führungspersonen beitragen, sondern vor allem auch zum Ausschöpfen der entsprechenden Ressourcen. Übersicht gewinnen, Selbstreflexion, Fokussieren, Priorisieren, Ziele definieren, Dynamiken erkennen: Dies alles dient der Entfaltung der Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit von Führungspersonen. Ein weiterer wirksamer Bereich gegen den Teufelskreis der Überlastung ist die Gesundheitsförderung. Auf lange Sicht ist es für die Menschen und die Organisation zielführend und kostensparend, wenn dafür gesorgt wird, dass ■ die Mitarbeitenden wissen, was ihrer Gesundheit zuträglich ist. ■ die Mitarbeitenden ein gutes Gespür dafür entwickeln, wie es um ihre Belastung steht. ■ die Mitarbeitenden wissen, wie wichtig Abgrenzung ist, besonders in Kombination mit einem hohen persönlichen Engagement. ■ das Vertrauen zwischen Führung und Mitarbeitenden so stark ist, dass die Mitarbeitenden sich im Fall von Problemen lieber zu früh als zu spät melden. Natürlich kosten diese Massnahmen. Meiner Ansicht nach sind sie notwendig, selbst wenn die entstehenden Kosten höher als die Ersparnisse wären: weil man Sorge tragen möchte zu den Klientinnen, Klienten und den Mitarbeitenden. Aus meiner Erfahrung ist es allerdings so, dass diese Kosten über die Jahre gesehen geringer sind als die Kosten im Fall eines Teufelskreises durch Dauerüberlastung. * David Rossi ist Psychologe, Coach und Gesprächstrainer. Er hat mehrere Jahre als Kitaleiter und Schulleiter im sonderpädagogischen Bereich gearbeitet. Seit einigen Jahren unterstützt er Institutionen im Bereich Bildung und Soziales bei Veränderungsprozessen sowie bei der Bewältigung von Konflikten, und er gibt Weiterbildungen für eine klare und wertschätzende Kommunikation. david-rossi.ch Es gibt Mitarbeitende, die es spannend finden, nebst der fixen Teilzeitanstellung in einem Team ein fixes Pensum als Springerin oder Springer zu übernehmen.

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