8 ARTISET 10/11 I 2023 orientieren wir uns an der Biografie der Bewohnerin oder des Bewohners», erklärt Anastasia Skripnikov. So unterschiedlich wie die Menschen, ist im Römerhof auch die Alltagsgestaltung. Das tägliche Gespräch Das Kernstück, das die psychosoziale Pflege im Römerhof ausmacht, ist das Gespräch. «Unsere Bewohnerinnen und Bewohner benötigen viel Aufmerksamkeit und emotionale Präsenz», so Nikola Stojadinovic. Deshalb sei es wichtig, dass die Pflegenden nebst der Grundausbildung ein hohes Mass an Empathie und Kommunikationsfähigkeit mitbringen würden. Menschen, die an einer Suchterkrankung leiden oder eine psychische Diagnose haben, sind manchmal von Isolation und Einsamkeit bedroht. Im Römerhof macht man die Erfahrung, dass ein beachtlicher Teil der Betroffenen schon länger keinen Kontakt mehr zu ihren Familien hat und das soziale Umfeld fehlt. Persönliche Beziehungen werden deshalb gepflegt, wie Anastasia Skripnikov sagt: «Wir sind für viele Bewohnerinnen und Bewohner eine Art Familienersatz.» Das psychische Gleichgewicht hängt jedoch nicht nur von zwischenmenschlichen Aspekten ab, sondern auch von der medizinischen Versorgung und Therapie. An der Asylstrasse 40 setzt man auf interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Ergo- und Physiotherapie, zudem holt man externe Dienstleistungen wie etwa die Dentalhygiene, das mobile Röntgen oder das Augenmobil, das regelmässige Augenuntersuchungen anbietet, ins Haus. Gerade für Menschen, die an Zwangs- oder Angststörungen leiden und somit externe Termine nur unter erschwerten Umständen wahrnehmen können, ist dieses Angebot hilfreich. Eine hohe Präsenz Um Stabilität zu gewährleisten, finden regelmässige Standortgespräche statt, an denen alle beteiligten Mitarbeitenden und externe Fachpersonen zusammenkommen. Dabei diskutiert man über die aktuelle Befindlichkeit der betroffenen Person und leitet bei Bedarf Veränderungen in der Betreuung, der Medikation oder der Tagesstruktur ein. Trotz all diesen Massnahmen geht es im Römerhof nicht immer harmonisch zu und her. Der Umgang mit persönlichen Krisen von Bewohnerinnen und Bewohnern muss deshalb gelernt sein. «Für unsere Mitarbeitenden bieten wir regelmässig interne und externe Weiterbildungen an», sagt Anastasia Skripnikov. Ausgewählte Themen wie beispielsweise das Aggressionsmanagement werden vertieft beleuchtet und tragen dazu bei, dass belastende Situationen oder Konflikte professionell bewältigt werden können. Trotzdem kann es vereinzelt vorkommen, dass vorübergehend eine Hospitalisierung notwendig wird. Präsenz wird an der Asylstrasse 40 grossgeschrieben. «Im Haus sind rund um die Uhr diplomierte Pflegefachpersonen im Einsatz, und Kadermitarbeitende leisten regelmässig Wochenenddienst», so Nikola Stojadinovic. Dieses Konzept orientiert sich an den Lebensumständen von psychisch kranken Menschen, die nicht selten eine Umkehr von Tag und Nacht leben. Einige Bewohnerinnen und Bewohner profitieren schon seit langer Zeit von dieser umfassenden Betreuung. «Es gibt Personen, die seit 20 Jahren im Römerhof wohnen», verrät Anastasia Skripnikov. Diese Leute dürfen sich darauf verlassen, dass sie auch in der Endphase des Lebens in ihrem Zimmer bleiben können. Denn Palliativ Care gehört ebenso zum Angebot dieses Hauses. «Jeder Mensch hat einen Platz verdient», so das Credo im Römerhof. Im Kreis 7 ist die Lage besonders schön. DER RÖMERHOF Am Platz, wo heute der Römerhof steht, befand sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine alte Villa mit Türmchen, die als Klinik für Magen-Darm-Krankheiten genutzt wurde. 1937 wurde das Haus von Diakonieschwestern erworben, die darin zuerst ein christliches Heim und ab 1940 ein Pflegeheim betrieben. Im Jahr 1980 veranlasste das Diakoniewerk St. Chrischona den Abbruch der Villa sowie den Neubau eines U-förmigen Gebäudes. Da der Nachwuchs bei den Diakonissen zunehmend fehlte, wurde das Haus 2011 an die Familie Gubler verkauft, die den Betrieb seither auf die modernen Ansprüche des heutigen Pflegestandards ausrichtet. 2015 bis 2020 erfolgte eine Gesamtsanierung, wobei auch ein Mehrzweckraum mit Terrasse errichtet wurde, die einen Weitblick auf die Stadt und den Zürichberg bietet. Der Römerhof gehört heute zur Bellevue Residenz AG, die in Zürich zwei weitere Pflegeeinrichtungen betreibt. Die Familie Gubler ist im Verwaltungsrat sowie in geschäftsleitenden Funktionen der drei Betriebe tätig. Das Konzept «Psychosoziale Pflege und tagesstrukturierende Massnahmen» wird an allen drei Standorten angewendet. Die Leistungen werden von der Grundversicherung der Krankenkasse sowie ergänzenden Mitteln wie Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe finanziert. ➞ heimroemerhof.ch «Unsere Bewohnerinnen und Bewohner benötigen emotionale Präsenz. Deshalb ist es wichtig, dass die Pflegenden ein hohes Mass an Empathie mitbringen.» Nikola Stojadinovic, Pflegedienstleiter Im Fokus
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