Erfahrungen teilen

14 ARTISET 12 I 2022 psychologischen Themen gegenüber rein somatischen Themen laufend zunimmt. Diese Entwicklung bildet die gesellschaftlichen Problemlagen ab. Neben diesen Selbsthilfegruppen bestehen auch eigentliche Selbsthilfeorganisationen? Es gibt schweizweit über 200 Selbsthilfeorganisationen. Diese sind themenspezifisch ausgerichtet und stärker strukturiert als die lokalen Selbsthilfegruppen. Diese Selbsthilfeorganisationen, die zum Netzwerk von Selbsthilfe Schweiz gehören, engagieren sich in der Beratung und der Interessenvertretung. Ähnlich wie die regionalen Selbsthilfezentren koordinieren und begleiten sie zudem Selbsthilfegruppen. Das sind zum einen autonome Gruppen wie in der klassischen gemeinschaftlichen Selbsthilfe oder in Video-­ Selbsthilfegruppen, aber auch fachgeleitete Gruppen, bei denen Fachpersonen an den Treffen direkt teilnehmen. Wie und wo verorten Sie die Unterstützung durch Peers? «Peers» sind zunächst einfach «Gleichbetroffene». Vor allem im psychischen Bereich und im Rahmen der Recovery-Bewegung sind Peers eigentliche «Expertinnen oder Experten aus eigener Erfahrung», die zusätzlich eine spezifische Ausbildung durchlaufen und in Institutionen als Mitarbeitende angestellt werden. … Peers werden damit zu einer Art Fachpersonen? Der Einsatz von Peers ist zwischen der gemeinschaftlichen und der fachgeleiteten Selbsthilfe angesiedelt. Vor allem innerhalb der Selbsthilfeorganisationen aber auch bei Selbsthilfe Schweiz respektive den Selbsthilfezentren wird derzeit darüber diskutiert, welche Rolle Peers übernehmen können. Es gibt hier aber eine Reihe von Fragen. Dies beginnt mit der Definition von Peers. Handelt es sich hierbei um Betroffene respektive um Betroffene mit zusätzlichem Wissen, oder sind es betroffene Fachpersonen? Zurück zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe: Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich? Seit vielen Jahren hat die Stiftung Selbsthilfe Schweiz einen Leistungsauftrag des Bundesamtes für Sozialversicherung und zudem werden wir mit Beiträgen der Kantone unterstützt. All diese Beiträge decken aber nur einen Teil der effektiven Kosten der Selbsthilfebewegung ab. International sieht es ganz anders aus… Was bedeutet das konkret? Namentlich in Deutschland hat die gemeinschaftliche Selbsthilfe bereits seit vielen Jahren einen gesetzlich verankerten Auftrag und wird finanziell entsprechend unterstützt. Deutschland hat aus diesem Grund proportional zur Bevölkerung zwei- bis dreimal so viele Selbsthilfegruppen. In Österreich ist es ähnlich. Mit der entsprechenden Unterstützung hätten wir auch in der Schweiz noch grosses Potenzial. Sehr wenige Selbsthilfegruppen gibt es traditionellerweise in Frankreich und Italien, dafür sehr viele in Grossbritannien und den USA. Engagieren Sie sich in der Schweiz für eine gesetzliche Verankerung der Selbsthilfe? Die Basler SP-Nationalrätin SarahWyss hat eine entsprechende Motion eingereicht. Der Bundesrat hat diese Ende Februar abgelehnt hat, im Parlament ist der Vorstoss noch hängig. Wir von Selbsthilfe Schweiz engagieren uns sehr für eine Annahme der Motion. Schub erhoffen wir uns dabei von einer Literaturstudie des Bundesamts für Gesundheit zum Thema Kosteneffizienz und Selbstmanagementkompetenz, die Anfang November publiziert wurde. Darin ist Selbsthilfe ein wesentlicher Bestandteil der Selbstmanagementkompetenz. Lassen sich mit Selbsthilfe Kosten sparen? Die Studie zeigt auf, dass eine Förderung der Selbstmanagementkompetenz und damit auch der Selbsthilfe zu einer Entlastung des Sozial- und Gesundheitswesens und zu möglichen Kosteneinsparungen in der Schweiz führen kann. Bereits 2017 hat ja eine Studie der Hochschule Luzern und der Universität Lausanne gezeigt, dass Selbsthilfe wirkt. Im Fokus Lukas Zemp, Geschäftsführer von Selbsthilfe Schweiz: «Selbsthilfe kann Foto: Privat

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