Erfahrungen teilen

ARTISET 12 I 2022 25 Dylan Yenni lernte bereits in jungen Jahren, seinen Alltag zu organisieren und sein Geld zu verwalten. «In meiner Pflegefamilie habe ich gelernt, bei der Hausarbeit mitanzupacken und zu kochen, es war also nicht mehr schwer. Ich habe auch gelernt, dass das Geld nicht vomHimmel fällt. Mit 14 habe ich schon Budgets gemacht, damit ich wusste, was ich kaufen konnte.» Er kam wirklich sehr gut zurecht. So gut, dass ihm die Fondation Eben-Hézer 2018 vorschlug, an einem Sommerseminar der Université du Québéc à Trois-­ Rivières und insbesondere an den Gesprächsrunden zum Thema selbstbestimmtes Wohnen teilzunehmen. Dort trifft er das erste Mal Manon Masse. Die assoziierte Professorin der Genfer Hochschule für Soziale Arbeit (HETS) gehört zum Schweizer Forschungsteam des Projekts MEDIA (siehe Box S. 27). Sie bittet den jungen Mann, regelmässig in einem ihrer Kurse in Genf mitzuwirken. Als Experte aus Erfahrung erörtert er vor den Studierenden in Sozialer Arbeit Fragen zu den Themen Selbstbestimmung und Selbstbestimmungsrecht in der Übergangsphase von der Kindheit zum Jugendlichenalter. «Selbstbestimmung heisst nicht, dass man nicht um Hilfe bitten darf», sagt er. «Das betone ich in jedem Kurs!» Für jemanden, der nach eigener Aussage genug Erfahrungen, Kompetenzen und Selbstvertrauen gesammelt hat, um andere Personen in einer ähnlichen Situation daran teilhaben zu lassen, lag die Ausbildung zum Inklusionsbegleiter auf der Hand. Peer-Integrationsbegleitende können anderen Personen auf vielfältige Art und Weise bei einer selbstbestimmten Lebensführung behilflich sein. Dazu gehören Hilfestellungen beim Schnürsenkelbinden, Angewöhnen des Arbeitswegs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Merken von Geschäften und Dienstleistungen im Quartier, bei der Wiederaufnahme einer körperlichen Aktivität oder der Nutzung von Internet und WhatsApp. Dylan Yenni zeigte einem Mann auch, wie er seiner Frau mit dem Handy Mitteilungen schicken kann. «Heute schickt er ihr fünf bis sechs Nachrichten pro Tag, und sie freut sich darüber», erzählt er. Dylan Yenni ist sehr zufrieden und stolz darauf, dass er Dylan Yenni mit Hund Malo: Trotz schwierigem familiärem Umfeld und einer Entwicklungsstörung führt er heute ein selbstbestimmtes Leben. Foto: amn

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