ARTISET 12 I 2022 53 Berner Fachhochschule (BFH) in der Projektphase I über zwanzig gute Beispiele in der ganzen Schweiz gesammelt, die für die Unterstützung von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung im BereichWohnen wegweisend sind. Der Fokus lag auf der Deutschschweiz und der französischsprachigen Schweiz. Ein Beispiel aus dem Tessin konnte ebenfalls erhoben werden. Diese Praxisbeispiele wurden so verarbeitet, dass sie nun auf der Website für Interessierte zugänglich sind. In der Projektphase II wurden eine Analyse und eine Erhebung des Unterstützungsbedarfes der verschiedenen Zielgruppen gemacht. Da es im Projekt um die Förderung von einem inklusiven, sozialraumnahen Wohnraum für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung geht, sind verschiedene Zielgruppen involviert. Idealerweise arbeiten diese in einem kooperativen Verhältnis zueinander. Der Fokus wurde auf folgende Zielgruppen gerichtet: ■ Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen als Mieterinnen und Mieter und/oder Klienten, ■ Akteure der Wohnraumvermietung wie zum Beispiel Liegenschaftsverwaltungen, Eigentümer, ■ Wohnbaugenossenschaften etc., ■ Soziale Institutionen als Dienstleistungsanbietende, ■ Personen aus dem Sozialraum, etwa Hauswartspersonal, Gemeinden, kulturelle Angebote, Nachbarn. Die Datenerhebung durch die BFH erfolgte im Rahmen von leitfadengestützten Interviews, und so wurde mit verschiedenen Vertretern aus den vier Zielgruppen gesprochen. Diese Gespräche erfolgten als Einzel- oder Gruppengespräche. Die Ergebnisse der Befragung zeigte, dass eine klare Abgrenzung zwischen den beiden Handlungsfeldern «Wohnungssuche» und «Wohnen im Sozialraum» nicht durchgehend möglich und sinnvoll ist, da sowohl die Expertinnen und Experten aus Erfahrung wie auch die Vermieter und die sozialen Institutionen beide Aspekte kennen und die Erfahrungen dazu nicht klar abgrenzbar sind. Psychische Beeinträchtigung ist kein Stigma Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in der Projektphase III zu 13 Informationsblättern und Impulsen verarbeitet, die in einem mehrstufigen Verfahren von den verschiedenen Anspruchsgruppen konsultiert, kritisiert und schliesslich validiert wurden. Die vielleicht schwierigste Anforderung war, dass eine psychische Beeinträchtigung nicht als ungewöhnlich oder anormal dargestellt wird. So kam mehrfach die kritische Rückmeldung aus der Projektsteuergruppe, die wesentlich zum Gelingen des Projektes beigetragen hat, und von den Anspruchsgruppen, dass die Informationsblätter und Impulse den Graben zwischen «Wir» und «Ihnen» respektive zwischen «normal» und «anders» nicht verstärken sollten. Die Dokumente wurden mehrmals überarbeitet, sodass diese nicht mehr nur problemorientiert wahrgenommen werden, sondern motivierend und überzeugend daherkommen. Der Begriff «Betroffene» wurde konsequent mit «Menschen mit psychischer Beeinträchtigung» oder «Experten aus Erfahrung» beschrieben. «Hinderliche Faktoren» wurde mit «Möglichkeiten und Chancen» ersetzt. Der Stil wurde angepasst, sodass ein sozial durchmischtes Quartier mit verschiedenen Wohnformen beworben wird. Als Produkt dieses umfangreichen Projektes ist eine informative Website entstanden mit allen Informationen rund um das Thema Wohnen. Wichtig war, dass die Website benutzerfreundlich gestaltet ist und einen guten Überblick bietet über alle Informationen. Die 13 Informationsblätter stehen dort allen Interessierten zur Verfügung und können auch ausgedruckt werden. Durch eine Filterfunktion werden die entsprechenden Blätter auch rasch gefunden. Zur Inspiration und auch um sich orientieren zu können wurden die Praxisbeispiele aufgeschaltet, die in der Projektphase I gesammelt wurden. So kann auch eine Übersicht gegeben werden über verschiedene Angebote mit den Kontakten zu den Anbietern. Die Website steht in den Landessprachen Deutsch und Französisch zur Verfügung. * Sandra Picceni ist Fachmitarbeiterin und Leiterin Berufs- und Personalentwicklung Behinderung des Branchenverbands Insos. Aufgehoben sein in der Nachbarschaft und im Quartier: Wohnen ist mehr als nur eine Wohnung haben. Aktuell
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