Die Qualität der Pflege weiterentwickeln Magazin ARTISET 12

ARTISET 12 I 2023 39 Aktuell Sie wollen mehr am politischen Leben teilhaben, dafür sprechen sich zwei Frauen und zwei Männer des PTA-Wohnheims La Neuveville BE aus. «Wieso haben die Grünen nicht mehr Stimmen erhalten?», fragt etwa Pia Schneeberger. «Der Bundesrat sollte an einer Landsgemeinde gewählt werden», schlägt Heinz Wüthrich vor. «Es ist Zeit, dass die Leute mehr Sorge zur Natur tragen», fordert Stefan Haldimann. Von Christian Bernhart Auf Einladung des Schreibenden tauscht sich eine Gruppe von Bewohnerinnen und Bewohnern des PTA-Wohnheims über Unstimmigkeiten aus, die sie im politischen Alltag erleben. Ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Wünsche äussern sie gegenüber dem Magazin Artiset mit einer Selbstverständlichkeit, als würden sie ganz regulär an der Gesellschaft teilhaben können, als ob die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der Schweiz längst umgesetzt worden sei. Die Eidgenössischen Wahlen vom Sonntag 22. Oktober kommen alsbald zur Sprache. Die Enttäuschung darüber, dass ihre Kandidierenden der Grünen Stimmen verloren und ihre Anliegen für eine intakte Umwelt nicht durchgedrungen sind, werden kommentiert und hinterfragt. Stefan Haldimann (52), der in seinen ersten Voten noch um Worte gerungen hat, findet am Ende des stündigen Gesprächs fadengerade zu einer stimmigen Interpretation und einem Appell: «Es haben zu wenig Leute gewählt. Ich finde, wir sollten mehr für die Umwelt machen. Wir erleben ja die Klimaveränderung.» Dazu erwähnt er den Dächer abdeckenden Sturm in La Chaux-de-Fonds vom Juli und folgert: «Es ist wirklich Zeit, dass es ein Umdenken gibt, dass die Leute mehr Sorge zur Natur tragen. Dazu ist es mehr als fünf vor zwölf.» Auf seine Seite schlägt sich Heinz Wüthrich (60). «Ich habe der Grünen Barbara Schwickert wegen ihres Engagements zum Solarpark meine Stimme gegeben», erklärt der ehemalige Magaziner, um resigniert festzustellen: «Leider wurde sie aber nicht in den Nationalrat gewählt.» Politische Rechte für alle Das politische Interesse kommt nicht von ungefähr. Im Wohnheim in La Neuveville BE, in dem 45 erwachsene kognitiv und mehrfach beeinträchtigte Menschen in Wohngruppen leben, gehören die Bestrebungen, alle Bewohnerinnen und Bewohner zu befähigen, ihre Rechte im selben Masse wie Menschen ohne Behinderungen ausüben zu können, zu einem langfristigen Projekt. Um ihnen zu ihren Bürgerrechten, den politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rechten im Sinne der UN-BRK zu verhelfen, hatte vor zwei Jahren Kay Mattli (28) im Rahmen seiner Diplomarbeit als Sozialpädagoge Massnahmen eingeleitet und zunächst ein Defizit festgestellt: «Ich habe gesehen, dass verschiedene Heimbewohnerinnen und Heimbewohner keine Abstimmungs- und Wahlunterlagen erhalten.» Darunter befanden sich zwar auch Bewohnende, die wegen umfassender Beistandschaft diese gemäss Gesetz nicht erhielten. Doch nicht nur. Mattli spricht von ausführlichen Abklärungen bei den Beiständen, die dazu nötig waren. Zudem sei er sich in Übereinstimmung mit Heimleiter Mark Widmer bewusst gewesen, dass Abstimmungsunterlagen allein Menschen mit Behinderung nicht befähigten, ihre politischen Rechte auszuüben, zumal die meisten von ihnen seit Jahren ihr Leben ohne politische Meinungsbildung verbracht hatten. Diskussion im Abstimmungsstudio Zur politischen Meinungsbildung führte das PTA-Wohnheim deshalb bis jetzt zwei Abstimmungsstudios durch: zur Abstimmung über die Massentierhaltungsinitiative und zur Erhöhung des AHV-Alters für Frauen vom 25. September 2022 das erste Treffen und ein zweites Treffen vor dem Wahlsonntag vom vergangenen 22. Oktober. Daran teilgenommen haben immerhin 5 bis 6 Personen. Am Abstimmungsstudio vor dem Wahlsonntag wurde deutlich, dass es eine Herausforderung bedeutete, sich zwischen den vielen Parteien und Kandidierenden für den National- oder Ständerat zu entscheiden. «Ob wir dann in Zukunft abstimmen müssen?», lautete deshalb eine besorgte Frage. Dazu hielt Heimbewohner Haldimann eine luzide Antwort bereit, als hätte er längere Zeit politischen Unterricht genossen: «Wir sind dazu nicht verpflichtet, aber es gehört zu den

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