10 Dezember I 2024 Grundlagen und Stellungnahmen Die Mehrsprachigkeit in der Schweiz ist ein Reichtum – aber auch eine Herausforderung. Das gilt insbesondere dann, wenn Konzepte aus unterschiedlichen Kulturen übersetzt werden sollen. Die Suche nach dem richtigen Begriff führt unweigerlich zur Frage nach der Bedeutung des Wortes. Das gilt auch für die französische Übersetzung des Wortes «Betreuung» im Kontext von Alter und Altern. Von Anne-Marie Nicole (Artiset) Die Bedeutung von Wörtern «Ältere Menschen koordiniert betreuen»; So lautet der deutsche Titel dieses Themenhefts. Schon in der ersten Redaktionssitzung im Sommer, bei der die Vertretenden der neun am Projekt beteiligten Organisationen zusammenkamen, stellte sich rasch die Frage: Wie übersetzt man den Begriff «Betreuung» ins Französische? «Prise en charge»? Ein Ausdruck, der nach Sechzigerjahren klingt, so Alexandre Lambelet, assoziierter Professor an der Haute école de travail social et de la santé Lausanne (HETSL). Aber so weit muss man gar nicht zurückgehen: Die Übersetzung «prise en charge» für «Betreuung» findet sich immer noch in vielen Referenzdokumenten der Politik für Menschen im Alter. Auch in verschiedenen Dienststellen und Departementen des Bundes ist sie weit verbreitet. In der Praxis jedoch verärgert der Begriff: Sind Menschen im Alter also eine «charge» – eine Last, eine Belastung, eine Bürde? Der Professor der HETSL erinnert daran, dass zu Beginn der 2000er-Jahre die Co-Präsidentinnen des damals frisch konstituierten Schweizerischen Seniorenrates ein Editorial verfasst hatten. Darin wandten sie sich gegen eine «prise en charge» von Seniorinnen und Senioren und sprachen sich für eine «prise en considération» im Sinne von «Berücksichtigung» aus. Suche nach dem adäquaten Ausdruck «Der Ausdruck ‹prise en charge› unterstellt, dass die Person passiv und abhängig ist. Dahinter steht die Idee einer asymmetrischen Beziehung, Gebrechlichkeiten und Schwächen stehen im Mittelpunkt», hebt Alexandre Lambelet hervor. Seine Kollegin Valérie Hugentobler, auch sie Professorin an der HETSL, drückt es unmissverständlich aus: «In den Human- und Sozialwissenschaften ist das ein Terminus, den man nicht mehr verwenden darf.» In der Tat: Der Ausdruck «prise en charge» findet kaum mehr Gnade in den Augen der Expertinnen und Experten für das Alter. Sie bevorzugen eindeutig den Begriff «accompagnement» im Sinn von «Begleitung». Dieser Terminus bildet den aktuellen Bezugsrahmen von Alter und Altern nämlich besser ab: Er umfasst die Vorstellung von Autonomie, Selbstbe-
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