Ältere Menschen koordiniert betreuen | Magazin ARTISET | 12-2024

16 Dezember I 2024 Altersforscher Riccardo Pardini von der Berner Fachhochschule zeichnet sich ihr Arbeitsfeld dadurch aus, dass es Kontakte im Sozialraum der älteren Personen knüpft und pflegt, deren Bedürfnisse und Anliegen aufnimmt und letztlich über entsprechende (Unterstützungs-)Angebote informiert und diese vermittelt. Der Schwerpunkt der aufsuchenden Altersarbeit liegt in der psychosozialen Beziehungspflege und in der Vernetzung mit den umliegenden Angeboten, damit ein langes selbstbestimmtes Leben im vertrauten Umfeld möglich wird. Das Arbeitsfeld ist damit ein wichtiger Teil der Betreuungsarbeit im Quartier. Je nach Ausrichtung erstreckt sich der Wirkungsradius über ein oder mehrere Quartiere, über Stadtteile, Gemeinden bis hin über Regionen. Zudem unterscheiden sich die einzelnen Projekte sehr darin, wie stark sie den aktiven Kontakt mit den älteren Personen suchen. Gemein ist den Projekten der mobile Einsatz draussen an Orten, welche von den älteren Personen häufig frequentiert werden, wie auf Plätzen, an Durchgangsstrassen zum Einkaufen, vor Apotheken, Haltestellen oder an sozialen und kulturellen Veranstaltungen. Oft bestehen diese Projekte als ergänzende Angebote zu den gewöhnlichen Informations- und Anlaufstellen des Altersbereichs. Die auffindbaren Projekte der aufsuchenden Altersarbeit sind aktuell eher noch Pionierprojekte in der Schweiz – ganz anders als etwa bei der etablierten aufsuchenden Gassen- oder Jugendarbeit. Erfahrungswerte müssen hier erst noch gesammelt werden. Unter diesen Projekten lassen sich neben Fundus Basel zum Beispiel die Mobile Altersarbeit der Stadt Aarau, das Altersnetzwerk Gantrisch, der Infobus «mobil bi dir» von Pro Senectute beider Basel oder das Angebot «Zugehende Beratung» von Alzheimer Zürich aufzählen, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Angebot «Zugehende Beratung» ist ein ergänzendes und spezialisiertes Beratungsangebot, das sowohl telefonisch, an der Beratungsstelle als auch zu Hause stattfindet, so Irène Taimako von Alzheimer Zürich. Es bietet eine längerfristige, fachliche Beratung für Angehörige von Menschen mit einer Demenz während des Krankheitsprozesses. Durch die kontinuierliche Begleitung wird dem Bedürfnis der pflegenden und betreuenden Angehörigen entsprochen, gemeinsam entlastende Möglichkeiten und Handlungsspielräume zu finden. Ziel der zugehenden Beratung, die in die Lebenswelten Betroffener geht und proaktiv Hilfe anbietet, ist es, ein kontinuierliches Vertrauensverhältnis aufzubauen. Ansprechperson mit Koordinationsaufgabe Ein Vorteil des aufsuchenden Ansatzes ist, so Riccardo Pardini, dass konventionelle Angebotsstrukturen, bei denen ältere Personen zu den Anlaufstellen gehen müssen (Kommstrukturen), aufgebrochen werden. Somit werde versucht, gerade jene Personen zu erreichen, die in prekären Situationen leben oder deren eingeschränkte Mobilität ein Aufsuchen weit entfernter Beratungsstellen nicht möglich macht. Aber auch Scham, eine mangelnde Infrastruktur oder Angst vor Kosten können «unsichtbare Türschwellen» darstellen. Die aufsuchende Altersarbeit kann für diese Personengruppe eine Versorgungslücke schliessen. Der Faktor, der dabei die grösste Rolle spielt: Das Angebot muss im alltäglichen Leben der Zielgruppen an öffentlichen oder zumindest halb-öffentlichen Orten zu finden sein und Ansprechpersonen bereitstellen. Eine niederschwellige Kontaktaufnahme mit der Absicht der Sichtbarkeit ist der Kern. Zudem würde, so Pardini, durch die regelmässige Präsenz vor Ort auch ein Vertrauensaufbau erfolgen. Dabei können die Angebote vor Ort unterschiedlich ausfallen. Oftmals geht es vorwiegend darum, ein offenes Ohr für die Belange der Bewohnerschaft anzubieten und Informationen zu vermitteln. Die aufsuchende Altersarbeit ist damit vor allem eine sichtbare Anlaufstelle im Quartier, die Informationen weitergibt und über Angebote berät, gleichzeitig aber auch den Ansatz verfolgt, ältere Personen zu Angeboten, zum Beispiel zur Beratungsstelle in einer Gemeinde, zu überweisen. Koordinierte Betreuung wird in der aufsuchenden Altersarbeit nicht zwangsläufig darin verstanden, alle Angebote vor Ort selbst bereitzustellen, sondern ältere Personen vielmehr an die richtigen Stellen zu vermitteln. Somit unterstützt eine aufsuchende Altersarbeit besonders die Angebote vor Ort und kann folglich als Ergänzung gesehen werden. Letztlich ist die aufsuchende Altersarbeit ein Ansatz, der das Betreuungssystem sinnvoll ergänzt und gerade durch seine Niederschwelligkeit versucht, mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten, die durch klassische Angebote nicht erreicht wird. Für die Zukunft sind die Initiierung und langfristige Finanzierung solcher Projekte wünschenswert sowie auch die Ausweitung hin zu Personen im stationären Altersbetreuungsbereich. «Viele ältere Menschen wollen zunächst einfach nur reden, wir hören zu und fragen nach. Dies schafft die Grundlage dafür, dass sich jemand bei Problemen an uns wendet.» Karin Predieri, soziokulturelle Animatorin und Geschäftsleiterin von Fundus Basel

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