38 Dezember I 2024 die Mitarbeitenden der Alltagsgestaltung können die Zeit ohne Gruppenaktivitäten sinnvoll nutzen. Umgekehrt ermöglicht man es auch Pflegehelferinnen und Fachangestellten Gesundheit, Betreuungsaufgaben wahrzunehmen und Gruppenaktivitäten durchzuführen, indem man sie bewusst für einen Nachmittag von ihren gewohnten Aufgaben entbindet. So haben beispielsweise vor einiger Zeit Mitarbeitende aus dem Pflegeteam einen Fussparcours für Bewohnende angeboten und so einen schönen Nachmittag gestaltet. Solche Freiräume gibt es auch im Einzelsetting, etwa für einen Spaziergang. Man merkt es Simon Eugster, dem Leiter Soziales und Teil-Bereichsleiter Betreuung und Pflege, im Gespräch an, wie wichtig ihm dieser individuelle Kontakt mit den Bewohnenden ist, auch wenn er nun nicht mehr immer an der Front, sondern viel im Hintergrund tätig ist. «Er ist ein ganz Lieber, aber manchmal ist er auch streng mit uns», erklärt beim anschliessenden Rundgang eine Bewohnerin mit einem Augenzwinkern. «Heute hat er mir sogar Hausaufgaben aufgetragen.» Dies zeigt, dass die Mitarbeitenden Betreuung nicht mit Unterhaltung gleichsetzen, sie bieten vielmehr eine adäquate Begleitung und Möglichkeiten, sich echt zu begegnen. «Es geht um die Wahrnehmung jeder und jedes Einzelnen als biopsychosoziales Wesen. Wir wollen, dass die Menschen für alle Themen, die sie mitbringen, eine Ansprechperson und Gehör finden, also für die pflegerischen, aber auch für finanzielle und rechtliche Fragen oder Themen aufgrund ihrer Biografie», erklärt Simon Eugster, der ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung der Stiftung ist. Dies fange bereits an, bevor die Menschen einzögen, und schliesse die Angehörigen mit ein. Ein gutes Einleben ist das A und O In Münsingen haben die Phase des Eintritts in das Alters- und Pflegeheim und der Kontakt mit den Angehörigen einen hohen Stellenwert. So findet vier Mal im Jahr ein Besuchsnachmittag für Interessierte statt. Ältere Menschen und ihre Angehörigen haben so die Möglichkeit, Fragen zu stellen und den möglichen neuen Alltag kennenzulernen. Andererseits lernen so auch die Verantwortlichen der Stiftung für Betagte die potenziell neuen Bewohnenden und deren Biografie kennen. Nach dem Umzug sind die Angehörigen ab Tag eins willkommen – auch bei kulturellen Anlässen und an Feiertagen –, ganz so, wie sie es vorher auch gehandhabt haben. Ihre Auskünfte werden dokumentiert und sind wertvoll, um die Geschichte und die Bedürfnisse des neuen Bewohnenden kennenzulernen. Zudem sind sie eingeladen zu einem offerierten Eintrittsessen mit der Bewohnerin oder dem Bewohner im hauseigenen Restaurant, wo sie dann auch später jederzeit gemeinsam eine Mahlzeit geniessen können. Bereits in den ersten Tagen geht jemand aus dem Team Soziales bei dem Neueintretenden vorbei und fragt, ob irgendwo der Schuh drückt. Da sein Team in ziviler Kleidung arbeite, falle es vielen Leuten leichter, sich zu öffnen, erklärt Simon Eugster. Teilweise gehe es nur um Kleinigkeiten, die schon einen Unterschied machen würden, wie beispielsweise eine kleinere Essensportion; manchmal seien es komplexere Dinge, die es aufzufangen gelte. Er erhalte immer wieder die Rückmeldung, dass das Einleben dank dieser engen Begleitung zu Beginn erleichtert werde. Es lohne sich also, neben der Pflege in das Wohlfühlen mit der neuen Situation zu investieren. Dazu gehöre auch, die sozialen Kontakte mit der Bevölkerung weiterhin aufrechtzuerhalten. Die gesellschaftliche Teilhabe gelinge unter anderem mit Freiwilligen aus dem Dorf, die ebenfalls Betreuungsaufgaben übernehmen und den einzelnen Bewohnenden damit einen zusätzlichen Mehrwert ermöglichen – entweder mit Aktivitäten innerhalb des Heims oder auch ausserhalb. Das Dorf ins Heim holen Nicht immer sei es jedoch möglich, dass die Bewohnenden nach dem Eintritt an allen von ihnen gewünschten kulturellen Anlässen im Dorf teilhaben könnten. Deshalb hat man sich entschieden, selbst Aktivitäten durchzuführen, damit die Dorfbewohnenden ins Heim kommen. Ein solches Beispiel ist das für alle frei zugängliche «Dorfkafi» immer am letzten Freitag im Monat, das zusammen mit dem Frauenverein Münsingen angeboten wird. Dessen Mitglieder spenden für den Anlass Kuchen und Gebäck, und das Alters- und Pflegeheim stellt den Raum und den Kaffee zur Verfügung. Nebst dem gemütlichen Beisammensein gibt es jeweils einen Gast, der eine Viertelstunde von seinem Beruf oder seinem Verein erzählt. Die eine Hälfte des Publikums besteht aus Bewohnenden, die andere Hälfte aus Pensionierten des Dorfes. Mit 40 bis 45 Zuhörenden, einige davon Stammgäste, ist der Anlass jeweils gut besucht, und es entstehen jedes Mal spannende Gespräche. Dank der Zentrumsnähe des Standorts Schlossgut direkt neben dem Schlosspark ist zudem die Präsenz am Herbstmarkt ein weiteres Highlight im Jahresprogramm. Mit einem eignen Stand werden Produkte verkauft, welche die Bewohnenden selbst gestrickt haben. Dies im Rahmen der diversen Gruppenangebote mit freiwilliger Teilnahme. «Es geht um die Wahrnehmung jeder und jedes Einzelnen als biopsychosoziales Wesen. Wir wollen, dass die Menschen für alle Themen, die sie mitbringen, eine Ansprechperson und Gehör finden.» Simon Eugster, Leiter Soziales und Teil-Bereichsleiter Betreuung und Pflege
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