Ältere Menschen koordiniert betreuen | Magazin ARTISET | 12-2024

Dezember I 2024 43 Emotionen erfolgen, weiss Marcus Pohl. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Empathie erfordere. Eine solche könne nur entwickeln, wer von der Überzeugung getragen sei, «dass jeder Mensch unabhängig von seinen kognitiven Fähigkeiten eine unverlierbare Würde hat», zitiert Pohl einen Leitsatz des Kompetenzzentrums. Die Emotionen wahrzunehmen, bedeute etwa, dass «wir die Menschen nicht in ihrer Wirklichkeit korrigieren, sondern mit ihnen in ihre eigene Welt eintauchen, um sie dort abzuholen». Wenn sich eine Frau zum Beispiel wünscht, dass ihre Mutter sie besuchen kommt, «dann gehen wir darauf ein, bestärken sie in ihre Liebe zur Mutter, indem wir uns mit ihr zusammen an die vielen schönen Erlebnisse erinnern». Unterstützung in Alltagsaktivitäten Gute Betreuungsarbeit erfordert, dass die Mitarbeitenden die Bedürfnisse und die Interessen der ihnen anvertrauten Menschen genau kennen. Eine wichtige Hilfe dabei ist die Biografiearbeit und damit die Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Diese füllen zunächst einen Biografiebogen aus und stehen dann in einem regelmässigen Kontakt mit der Bezugsperson eines Bewohners oder einer Bewohnerin. Mehrere Angehörige, so Patric Gonetz, begleiten zudem gleichsam als «freiwillige Betreuungspersonen» ihren Partner oder ihre Partnerin den ganzen Tag über. Gonetz: «Diese Einbindung der Angehörigen ist Ausdruck der Normalisierung, erfordert aber auch Koordination.» «Menschen mit Demenz brauchen in allen Aktivitäten des täglichen Lebens Unterstützung», unterstreicht Marcus Pohl – und fügt bei: «Wir verstehen uns als Angestellte der Bewohnerinnen und Bewohner. Sie sagen uns, was sie wollen, und nicht wir ihnen.» In Erfahrung bringen, was die Menschen wollen, ist nur möglich, «wenn wir ihnen mit echter, ungeteilter Aufmerksamkeit begegnen». Ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden auch von Menschen mit Demenz ist es, wenn sie sich gebraucht fühlen, am gemeinschaftlichen Leben teilnehmen können. Das gemeinsame Haushalten in den Wohngruppen, Alltagsartikel im Dorfladen einkaufen, beim Rüsten oder Abwaschen helfen, haben eine wichtige Bedeutung. Pohl: «Menschen mit Demenz benötigen viel positives Feedback für ihre Mitarbeit, selbst wenn die abgetrockneten Teller auch mal im Backofen versorgt werden.» Unterstützung leisten die Alltags- und Lebensgestalter weiter dabei, wichtige soziale Kontakte aufrechtzuerhalten; zu ehemaligen Nachbarn etwa, zu Familienmitgliedern, zu Freunden. Dazu gehört auch, die Teilnahme an Vereinsaktivitäten, den Besuch eines Konzerts oder eines Fussballmatchs zu ermöglichen. Schulung einer bestimmten Haltung Im «Höfli» gehen die Mitarbeitenden mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zudem wenn immer möglich im Dorf zum Coiffeur, zur Fusspflege oder auch zum Arzt. Weiter nehmen Bewohnende an Dorfaktivitäten wie der Chilbi teil – und laden ihrerseits die Nachbarn zum Adventsfenster ins «Höfli» ein. Eine umfassend verstandene Betreuungs- und Beziehungsarbeit erfordert Zeit. Im «Schönbühl» arbeiten in den Demenzwohngruppen denn auch wesentlich mehr Mitarbeitende als in den anderen Bereichen. Die Finanzierung bedeute eine permanente Herausforderung, so Co-Geschäftsführer Patric Gonetz. Die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz erfordern zudem eine bestimmte Haltung, wie Markus Pohl im Gespräch immer wieder betont. «Wir müssen uns auf die Sichtweise und die Realität unseres Gegenübers einlassen, ohne diese zu bewerten und zu korrigieren.» Dafür braucht es regelmässige Weiterbildungen, auch Fallbesprechungen. Marcus Pohl wünscht sich zudem – neben sich selbst und einer weiteren Mitarbeiterin – weitere Fachpersonen aus dem Sozialbereich. Eine Bewohnerin und eine Alltags- und Lebensgestalterin im Garten des Kompetenzzentrums Schönbühl. Foto: Marcel Krauss

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