Dezember I 2024 45 Grundlagen und Stellungnahmen Betreuung ist so vielseitig wie die Menschen selbst – sie reicht von stationären und ambulanten Leistungen bis hin zur familiären Unterstützung. Vier Persönlichkeiten, drei Frauen und der Mann einer demenzkranken Frau, erzählen von ihren individuellen Wohn- und Lebenssituationen und zeigen auf, was sie in ihrem Alltag brauchen und was sie stärkt. Von Salomé Zimmermann (Artiset) und Céline König (Pro Senectute Schweiz) Peter Burkhardt, 85 Jahre, aus Basel «Ich war in meinem Berufsleben Sozialpädagoge. Meine an Alzheimer erkrankte Frau Liselotte habe ich bis zu ihrem Tod begleitet. Ihre letzten Lebensjahre hat sie im Pflegeheim verbracht. Die Zeit vor dem Heimeintritt war für mich sehr herausfordernd, weil Liselotte zunehmend an Inkontinenz litt. Ihre Betreuung in einer Tagesstätte ermöglichte mir, den Haushalt in Ordnung zu halten und mich auf gemeinsame Aktivitäten vorzubereiten. Weil ich wusste, dass für Menschen mit Demenz Spaziergänge wichtig sind, unternahmen wir tägliche Rundgänge im nahegelegenen Wald. Liselotte verstand in ihrer letzten Lebenszeit gemäss meiner Wahrnehmung alles, was ihre Bezugspersonen sagten, konnte jedoch nur noch Empfindungsworte wie «Voilà», «Ei, ei, ei» und «Hoppla» äussern. Beim täglichen Spazieren erfand sie ein eigenes Lied, indem sie rhythmisch ihre bevorzugten Worte kombinierte und diese jeweils vor sich hin summte. Für mich ist das ein Hinweis, dass Menschen mit Demenz, trotz den vielen Einschränkungen, kreativ sein können. Im Pflegeheim mangelte es oft an Kontakt mit anderen Menschen. Deshalb organisierte ich an Sonntagen zuhause Treffen mit Freunden. Liselotte nahm an den Gesprächen mit einem frohen Lächeln teil und fühlte sich im Kreis von vertrauten Menschen geborgen und akzeptiert. Es gelang ihr, mit Zeichnungen mitzuteilen, wie sie die Zeit im Pflegeheim erlebte: Auf einem Tischset zeichnete sie ein Bild, in dem sie ihre Situation eindrücklich darstellte. Ein Jahr vor ihrem Tod malte sie ihre Biografie als Lebensteppich, den sie aufmerksam betrachtete. So konnte ich mich mit ihrer Eigenwelt vertraut machen. Um meine Erfahrungen mit anderen Angehörigen von Erkrankten zu teilen, habe ich ein Buch geschrieben. Ich finde, dass die Angehörigen sehr wichtige Mitwirkende sind bei der Betreuung von an Demenz erkrankten Menschen.» Irene Gertrud Graf, 96 Jahre, aus Nyon «Seit Mai lebe ich bei meiner Tochter und ihrer Familie in Nyon. Zuvor habe ich zehn Jahre in einer Altersresidenz gewohnt. Dort haben mir Abwechslung und soziale Verbundenheit gefehlt; während ich in der Anfangszeit noch neue Bekanntschaften schliessen konnte, hat dies mit den Jahren nachgelassen – auch bedingt durch meine schwindende Hör- und Sehkraft. Bei meiner Tochter zu Hause fühle ich mich sehr wohl und gut umsorgt. Die Betreuung ist persönlicher und nimmt mehr Rücksicht auf meinen Tagesrhythmus. Meine Tochter sorgt dafür, dass ich nie lange allein bin und immer jemanden um mich habe. Zudem kann ich hier Zeit mit Sookie (Katze) und Jelly (Hund) Am Mittagstisch der Pro Senectute in Aarau treffen sich ältere Menschen zum gemeinsamen Essen und Austausch. Foto: Martin Bichsel Foto: Céline König Foto: zvg
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