54 Dezember I 2024 der Herausforderungen, die neue digitale Tools mit sich bringen. «Der Beruf ist in voller Entwicklung», erklärt Myriam Tellenbach. «Manche Sozialreferentinnen haben eine Grundausbildung als Fachperson Betreuung, andere verfügen über ein FH- oder HF-Diplom oder sogar einen Master in Soziologie. Ihre Profile sind ganz unterschiedlich.» Valérie Hugentobler, Professorin an der Haute école de travail social et de la santé Lausanne (HETSL), bestätigt, dass die Sozialreferentinnen eine neue Berufsgruppe in der Betreuung von Menschen im Alter verkörpern. Es sind dabei vor allem Frauen, die als Sozialreferentin tätig sind. Die Forscherin interessiert sich seit mehreren Jahren für Fragen des Wohnens in den späten Lebensjahren. Zurzeit arbeitet sie an einem Forschungsprojekt, das vom Schweizer Nationalfonds (SNF) finanziert wird. Ihr Team hat verschiedene Einrichtungen befragt, die Sozialreferentinnen beschäftigen, und dabei festgestellt, dass sie ganz unterschiedliche berufliche Hintergründe haben. «Es existiert noch keine spezifische Ausbildung, es ist kein anerkannter Beruf», bestätigt die Professorin der HETSL. «Dennoch verfügen 80 Prozent über Berufserfahrung mit Menschen im Alter, weil sie entweder in einem Pflegeheim oder in Spitex-Organisationen gearbeitet haben. Je nach Arbeitgeber und Kanton sind jedoch Unterschiede festzustellen.» Aktivitäten für das ganze Quartier Obwohl noch keine standardisierte Ausbildung existiert, ist für Valérie Hugentobler klar: Dieser Beruf erfordert vielfältige Kompetenzen. Dieser Meinung ist auch Myriam Tellenbach: «Gute Organisationsfähigkeiten und Aufgeschlossenheit sind ein Muss.» Sozialreferentinnen haben vielfältige Aufgaben: In erster Linie müssen sie über eine systemische Übersicht über das Gebäude verfügen und auf die An- und Abwesenheiten der Mieterinnen und Mieter achten. Neben monatlichen Themenabenden bieten sie auch Animationen in der häuslichen Umgebung an, so etwa in den Bereichen Gedächtnis, Motorik und Prävention. Daneben organisieren Sozialreferentinnen Aktivitäten für das ganze Quartier – wie Pétanque-Turniere, Jassgruppen oder einen jährlichen Flohmarkt – und fördern so den Kontakt zu den Mitmenschen. Da die Anmeldung oft über einen QR-Code erfolgt, unterstützen sie die Mieterinnen und Mieter bei der Nutzung digitaler Tools. Sozialreferentinnen spielen auch beim Einzug neuer Mieterinnen und Mieter eine wichtige Rolle. In einem Erstgespräch ermitteln sie die Bedürfnisse, fragen nach den gewünschten Aktivitäten und legen die Kontaktmodalitäten fest. Dürfen die Sozialreferentinnen in die Wohnung kommen? Oder sollen sie lieber anrufen? «Nicht wir haben die Kontrolle. Die Mieter entscheiden, was sie wollen», erläutert die operative Leiterin. «Jeden Monat beurteilen die Sozialreferentinnen die Bedürfnisse der Mieterinnen neu und nehmen wenn nötig Anpassungen vor.» Beim Erstgespräch wird auch das Thema Sicherheit angesprochen, zum Beispiel im Fall eines Sturzes. Dank einem Notrufsystem können anwesende Sozialreferentinnen reagieren, bevor sie Angehörige oder die Notrufzentrale kontaktieren. Altersgerechte Wohnungen mit Begleitung ermöglichen eine rasche und bedürfnisgerecht Betreuung der Mieterinnen und Mieter, unter anderem bei der Rückkehr nach einem Spitalaufenthalt. «Tagsüber können sie ein Notrufgerät auf sich tragen, sodass die Sozialreferentinnen wenn nötig schnell zur Stelle sind. Je nachdem, für welches System man sich beim Erstgespräch entscheidet, wird ein Schlüsselkasten montiert, um den Zugang zur Wohnung zu ermöglichen.» Die Mieter geniessen ein hohes Mass an Autonomie. Diese Unabhängigkeit bedeutet jedoch nicht, dass die Sozialreferentinnen keine Herausforderungen zu bewältigen haben. Manchmal müssen sie Erste Hilfe für psychische Gesundheit leisten. Und sie sind auch nicht immer ausreichend geschult, um bestimmte heikle Situationen wie Hygienefragen bei gewissen Mietern anzusprechen. Um mit solchen Situationen umgehen zu können, findet jeden Monat ein Treffen statt. Dabei können sich die Sozialreferentinnen über Problematiken auszutauschen, mit denen sie konfrontiert sind. «Wir sind sehr lösungsorientiert», betont Myriam Tellenbach. Parallel dazu bietet der Kanton Waadt spezifische Schulungen an, was ihn zu einem Vorreiter in diesem Bereich macht. «Diese zweimal jährlich stattfindenden Treffen sind für die Fachkräfte wertvoll, denn sie sind oft allein in ihrer Funktion», ergänzt Valérie Hugentobler. Obwohl sich der Beruf der Sozialreferentinnen bislang vor allem in Strukturen wie altersgerechten Wohnungen mit Begleitung entwickelt, ist er doch ein aufstrebender Beruf. Die Forschungsarbeiten des Teams rund um Valérie Hugentobler beleuchten die vielfältigen Profile und Praktiken und ebnen den Weg für Überlegungen zur Schaffung einer spezifischen Ausbildung. In einem Kontext, in dem die alternde Bevölkerung und die Autonomie von Senior:innen zu grossen Herausforderungen werden, könnte sich dieser Beruf durchaus dauerhaft in der Landschaft der Begleitungsdienste etablieren und zu mehr Strukturierung und Professionalisierung beitragen. Neben monatlichen Themenabenden bieten Sozialreferentinnen auch Animationen in der häuslichen Umgebung an, so etwa in den Bereichen Gedächtnis, Motorik und Prävention. Daneben organisieren sie Aktivitäten für das ganze Quartier und ermöglichen so den Kontakt zu den Mitmenschen.
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