ARTISET 01/02 I 2024 45 Aktuell Bichsel: Aber sie haben in der Schweiz kaum eine Chance. Die Arbeitsassistenz finde ich hingegen eine sehr gute Idee. In Deutschland eingeführt, ist sie in der Schweiz noch unbekannt. Mit einer Arbeitsassistenz könnten deutlich mehr Menschen mit Behinderungen Arbeitsleistungen erbringen, die vergleichbar sind mit jenen von Menschen ohne Behinderungen. Habe ich beispielsweise Einschränkungen in der Feinmotorik, so bin ich mit der Hilfe eines Arbeitsassistenten 100 Prozent arbeitsfähig. Wie wäre die Arbeitsassistenz zu finanzieren? Bichsel: Ein solches Model muss noch entwickelt werden. Diese Initiative könnte der Bund in einem Aktionsplan fördern, indem er Geld für ein Pilotprojekt zur Verfügung stellt. Germann: Da bin ich einverstanden; die Arbeitsassistenz ist sicher ein interessantes Instrument, mit dem man weitere Erfahrungen sammeln muss. Das EBGB kann innovative Projekte mit Finanzhilfen unterstützen. Aufgrund der Ergebnisse können dann zum Beispiel Empfehlungen für eine allgemeine Umsetzung formuliert werden. Bereits heute gibt es den Assistenzbeitrag der Invalidenversicherung (IV). Hier gibt es möglicherweise Ansatzpunkte für Weiterentwicklungen. Bichsel: Bund und Kantone stehen da in der Verantwortung und müssten beispielhaft vorausgehen und Menschen mit Behinderungen in der Verwaltung anstellen. Letztlich müssten aber die Unternehmen dieses Modell annehmen können. Bichsel: Die Finanzierung kann nicht zu 100 Prozent von den Arbeitgebenden erbracht werden. Man könnte beispielsweise so vorgehen: Das Geld der IV-Rente erhält der Arbeitgebende und garantiert zusammen mit der Entschädigung für die Arbeitsleistung ein Einkommen, das vergleichbar ist mit jenem eines Menschen ohne Behinderung. Germann: Die Frage der Finanzierung und auch die Lohnfrage sind komplex, da es hier auch um das Zusammenspiel von Sozialversicherungen und der kantonalen Behindertenhilfe geht. Es braucht vorerst einmal mehr Durchlässigkeit zwischen dem geschützten und dem allgemeinen Arbeitsplatz. Die vorhandenen Mittel fliessen heute noch zu einseitig in den geschützten Bereich. Auch deshalb gilt es neue Arbeitsmodelle zu entwickeln. Sie diskutieren auf Einladung des Magazins Artiset über die Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes: Urs Germann vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (links) und Herbert Bichsel, Co-Präsident von Sensability. Foto: chr «Mit einer Arbeitsassistenz können deutlich mehr Menschen mit Behinderungen Arbeitsleistungen erbringen, die vergleichbar sind mit jenen von Menschen ohne Behinderungen.» Herbert Bichsel, Co-Präsident von Sensability
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