Magazin ARTISET | 3 2022

10 ARTISET 03 I 2022 Im Fokus Der Begriff «Diversität» ist in aller Munde. Sozialwissen- schaftlerin Eva Soom Ammann* erläutert die Gründe dafür und skizziert die Entwicklung des Verständnisses von Diversität. Gerade auch in Institutionen, kleinen Gesell- schaften mit besonderen Bedingungen, ist das Thema von hoher Relevanz. Interview: Elisabeth Seifert «Wir sind uns heute der Vielfalt bewusst» Frau Soom Ammann, die Verschie­ denheit der Menschen ist grenzen­ los: Worauf zielt der Begriff «Diver­ sität» insbesondere? Der Begriff Diversität bezeichnet eigent- lich schlicht Vielfalt, Verschiedenheit. Oft ist Verschiedenheit aber sozial oder struk- turell wirksam, das heisst: Verschieden- heit kann zu Ungleichheit führen oder diese legitimieren. Manchmal ist das sehr offensichtlich, beispielsweise bei Bildung und Einkommen, manchmal ist es aber auch nicht so deutlich und sehr kontext- abhängig. In der Schweiz ist es zum Beispiel egal, ob man blaue oder grüne Augen hat. Es gibt aber durchaus Gesell- schaften, wo blaue und grüne Augen ge- genüber anderen Augenfarben mit einem Statusgewinn verbunden sind. Je nach Gesellschaft produzieren gewisse Merkmale Ungleichheit oder eben nicht? Nicht nur in ganzen Gesellschaften, son- dern auch in einzelnen Gruppen oder Organisationen können bestimmte Kate- gorien je nach Situation Ungleichheiten produzieren sowie auch Abhängigkeit und Asymmetrien fördern. Im Diversi- tätsdiskurs geht es vor allem darum, wie man mit solchen potenziell ungleich ma- chenden Kategorisierungen umgeht. Die Probleme lassen sich dabei nicht nur mit grossflächigen, auf der Makroebene ange- siedelten Bemühungen lösen, weil sie eben oft erst in der alltäglichen Praxis in be- stimmten Situationen sichtbar und wirk- sam werden. Deshalb braucht es auch betriebliche Lösungsansätze. Die Auseinandersetzung mit Kate­ gorien, die Ungleichheit produzie­ ren, hat eine lange Tradition: Kön­ nen Sie diese kurz erörtern? Der Ursprung des gegenwärtigen Diver- sitätsdiskurses ist in der Mitte des letzten Jahrhunderts zu verorten. Man begann sich unter anderem in Bürgerrechtsbewe- gungen wie in den USA mit Kategorien auseinanderzusetzen, die zu Unterdrü- ckung, Diskriminierung und sozialer Benachteiligung ganzer gesellschaftlicher Gruppen führen. In denUSA stand zu Beginn vor allem die Rasse als Ungleichheit produzie­ rendes Merkmal im Vordergrund? In der Ungleichheits- und Diversitätsfor-

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