Magazin ARTISET | 3 2022
ARTISET 03 I 2022 17 Alterswohnform im Espenhof präsen- tieren wird. Vorderhand existiert vieles erst auf dem Papier, und die Arbeits- gruppen Betrieb und Verträge sowie die Steuergruppe für die Koordination ste- hen erst am Anfang. Die Arbeitsgruppe Architektur arbei- tet hingegen bereits seit 2020 und hat im queeren Haus vieles angepasst: Die Vielfalt wird sich in auch punkto Ge- staltung und Einrichtung ausdrücken. Ausserdem wird Queeraltern bei der Anstellung von Pflegemitarbeitenden beratend mitreden. Verlangt werden laut Wapp Respekt und Empathie – al- les, was ohnehin in jeder Alterseinrich- tung Standard sein sollte. Zusätzlich werde beim «Queer Wohnen» natürlich Offenheit gegenüber allen sexuellen und geschlechtlichen Orientierungen erwartet: «Pflegende müssen nicht zwingend selber queer sein. Aber sie dürfen keinerlei kulturelle oder religiö- se Ablehnungsgründe haben.» Sie müss- ten beispielsweise damit umgehen kön- nen, wenn ein schwuler alter Mann aufgrund einer Demenz sexuell enthemmt werde. Dass der Wohnraum im Espenhof zu einer Ghettoisierung führen könnte, ist hingegen laut Christian Wapp nicht zu befürchten: «Zum einen werden dort ja mehr nicht-queere Menschen leben, mit denen sich die queeren Menschen die Siedlung teilen und denen gegen- über sie sich nicht abschotten wollen.» Ein Kindergarten soll entstehen, es gibt Gemeinschaftsräume für alle, die in der Siedlung leben, und in der Umgebung sind diverse Einkaufsläden und Cafés. «Dies alles soll für ein offenes und leb- haftes Miteinander sorgen, und wir planen auch Gemeinschaftsanlässe für die ganze Siedlung oder fürs Quartier.» Zum anderen entscheiden sich die künftigen Bewohnerinnen und Bewoh- ner bewusst dafür, den Lebensabend unter ihresgleichen zu verbringen: «Queere Menschen haben andere Bio- grafien und viele andere Lebensthemen als die heteronormative Mehrheitsge- sellschaft.» Es braucht weit mehr Angebote Ganz so vielfältig, wie es der Verein ur- sprünglich geplant hatte, wird das Pro- jekt dennoch nicht, Queeraltern hätte sich einen Generationenmix gewünscht und die Wohnungen gerne auch an Auswärtige vergeben. Das lassen die Statuten der Stiftung Alterswohnungen nicht zu: Für diese Wohnungen kön- nen sich künftig ausschliesslich queere Personen ab 60 Jahren bewerben, die seit mindestens zwei Jahren in Zürich Steuern gezahlt haben. Bei Paaren darf allerdings eine Person jünger sein. Ausserdem hätte der Verein gerne mit Almacasa zusammengearbeitet, ei- nem der wenigen Betriebe aus dem Gesundheitswesen, die mit dem «Swiss LGBTI-Label» ausgezeichnet sind. Im Espenhof besteht aber ein Zusammen- arbeitsvertrag zwischen der Stiftung für Alterswohnungen, den Gesundheits- zentren für das Alter der Stadt Zürich und Queeraltern, also auch für die Wohneinheiten des Vereins. Die Vorfreude der LGBTIQ-Ge- meinschaft auf die geplanten hübsch altrosafarbenen Häuser und die neue Vielfalt im Alterswohnen ist trotzdem ungetrübt. 26 Wohnungen und 24 Zimmer in drei Pflegewohngruppen sind allerdings nur ein kleiner Tropfen. Es braucht wesentlich mehr offene An- gebote. In Basel wurde zwar soeben ein Verein Queeraltern gegründet, und in Bern wird über hnliches nachgedacht. Aber damit künftig mehr Menschen der LGBTIQ-Gemeinschaft im Alter gut betreut werden können, muss noch einiges gehen. Christian Wapp muss nicht lange überlegen, was aus seiner Sicht wichtig ist: «Aufgeklärtheit, Ak- zeptanz und Selbstverständlichkeit. Dazu braucht es dreimal Bildung und dreimal Sensibilisierung!» Freie Vielfalt: Queere Menschen wollen sich auch im Alter nicht verstecken müs- sen, sondern angenommen werden, wie sie sind. Foto: Adobe Stock Weitere Informationen: www.queeraltern.ch Studie: www.pinkcross.ch/ unser-einsatz/leben/ spitex_sensibilisierung_lgbti.pdf Espenhof: www.wohnenab60.ch › siedlung › espenhof LGBTI-Label: www.lgbti-label.ch
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