Magazin ARTISET | 3 2022

22 ARTISET 03 I 2022 Im Fokus hintergrund pflege- und betreuungsbe­ dürftig werden, hat sich die Bandbreite von Lebensgeschichten in den Alters- und Pflegeinstitutionen spürbar ausge­ weitet. Das stellt die Institutionen vor Herausforderungen. Denn auf der Sei­ te der Pflegenden und Betreuenden hat die Diversität ebenso zugenommen. Es ist heute keine Seltenheit, dass in einem Alters- und Pflegeheim Menschen aus mehr als zwanzig verschiedenen Her­ kunftsländern arbeiten. «Die zuneh­ mende Diversität der Bewohnerinnen und Bewohner trifft heute in den Al­ ters- und Pflegeheimen auf die Diver­ sität beim Personal.» Dies zu berück­ sichtigen und in eine sinnvolle Balance zu bringen, sei im Interesse einer qua­ litativ guten Pflege und Betreuung Auf­ gabe des Diversity-Managements einer Institution. Diverse Ausbildungsgrade Ein professioneller Umgang mit Viel­ falt in Alters- und Pflegeheimen, sagt Katharina Liewald, bedeute unter an­ derem «dass die Diversität in den Be­ treuungskonzepten verankert werden». Die Leitungsverantwortlichen müssten sich darum fundiert mit dem Thema auseinandersetzen. «Sie müssen die Di­ versität als Managementaufgabe aner­ kennen und hier ihre Kompetenzen erweitern und dies schliesslich in die Personalführung einfliessen lassen.» Tatsächlich sind nicht nur die unter­ schiedlichen Migrationsgeschichten beim Personal prägend für die Diversi­ tät in den Alters- und Pflegeinstitu­ tionen, es sind auch die ganz unter­ schiedlichen Ausbildungsgrade und die Professionalität, die herausfordernd sind für eine Heimleitung. «Der Perso­ nalmix mit unterschiedlichen Qualifi­ zierungsgraden ist eine Herausforde­ rung bei der täglichen Arbeit», sagt Liewald. «Hilfskräfte ohne fachliche Ausbildung stossen rasch an Grenzen, wenn sie mit Menschen mit einer De­ menzkrankheit oder anderen kogniti­ ven oder psychischen Einschränkungen zu tun haben.» Katharina Liewald hat darum schon vor zehn Jahren eine Wegleitung für Institutionen der Langzeitpflege ausge­ arbeitet, die praxisnahe Vorschläge für ein gelingendes Diversity-Management macht. Ebenso haben sie und ihr Team einen Film produziert, der realitätsnah alltägliche Situationen in einem Pflege­ heim zeigt – und wie ihnen unter­ schiedlich begegnet wird. Film und Wegleitung sind über die Website mi­ gesplus.ch zu erhalten. Die Wegleitung wolle die Chancen­ gleichheit fur vulnerable Bevolkerungs­ gruppen in der Gesundheitsversorgung gewahrleisten. «Sie will fur die Heraus­ forderungen sensibilisieren, die sich im Zusammenhang mit der Diversitat der Mitarbeitenden sowie der Bewohnerin­ nen und Bewohner in Alters- und Pfle­ geheimen ergeben. Dies stellt somit eine thematische Erweiterung in der Betrachtung von Diversitat in der sta­ tionaren Langzeitpflege dar. Konkret werden in der Wegleitung Handlungs­ ansatze und Massnahmen vorgestellt, die es Institutionen und ihren Mitar­ beiterinnen und Mitarbeitern ermogli­ chen sollen, einen gezielteren und pro­ fessionelleren Umgang mit Diversitat zu gestalten.» BUCHTIPP Das Pflege-Lehrbuch «Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz» bietet ein grundlegendes und praxisorientiertes Handbuch zumUmgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für die Gesundheitsberufe. Der erste Teil beschäftigt sich mit sozialen Dynamiken pluralistischer Gesellschaften, dem demografischen Wandel und Trends bezüglich Mo- bilität, Migration und Bürgerrechten. Der zweite Teil diskutiert «flüchtige Kategorien» amBeispiel sich auflösender Begriffe wie «fremde Kulturen», «zweite Generation», «Religion» und «Behinderung». Im dritten Teil wird der Fokus auf «Ausgrenzung» durch Stigma, Menschenfeindlichkeit und Nichtanerkennung gerichtet. Was transkategoriale Kompetenz in unter- schiedlichen Lebensaltern, Lebenswelten und Praxisfeldern bedeutet, wird im vierten Teil des Lehrbuchs in Beiträgen über Mädchenbeschnei- dung, Traumatisierungen, Migrationskinder und Altern beschrieben. Der fünfte Teil widmet sich der Gesundheitsversorgung mit einem besonde- ren Fokus auf Frauen und Männer mit Migrationserfahrung, auf Men- schen mit kognitiver Beeinträchtigung und psychischen Störungen und einer Migrationserfahrung sowie der Beschreibung eines Pflege- und Versorgungsprozesses für diese komplexen Kontexte. Im sechsten Teil werden diverse kommunikative Aspekte im Umgang mit Vielfalt und Ver- schiedenheit erläutert. Zahlreiche praxisorientierte Fallbeispiele und selbstreflexive Übungen ebnen den Weg für einen kreativen Umgang mit Diversity im Gesundheitswesen. Dagmar Domenig (Hrsg.), «Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz», 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, 2021, 752 Seiten, Verlag hogrefe, 121 Fr. Der Leitfaden von 2012 formulierte damals: «Die Struktur und Zusammen­ setzung der Bewohnerinnen und Be­ wohner von stationaren Einrichtungen der Langzeitpflege haben sich stark gewandelt. Neben einem Anstieg der Pflegeabhangigkeit sind zunehmend auch soziale Beeintrachtigungen, psy­ chische Probleme und Verhaltensauf­ falligkeiten bei der Bewohnerschaft zu Katharina Liewald: «Dafür sorgen, dass das Personal richtig eingesetzt wird.»

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