Magazin ARTISET | 3 2022

ARTISET 03 I 2022 31 Als Martha F.* vor ein paar Jahren begann, im Gespräch mit ihren Angehörigen nachWorten zu suchen, die Wochentage zu verwechseln oder Dinge des täglichen Lebens am falschen Ort zu versorgen, führte ihre Umgebung dies auf ihr Alter zurück. War sie nicht schon immer etwas schusselig gewesen? Dass sie selbst zuweilen darüber lachte, schien den Nächsten ein Zeichen zu sein, dass es so schlimm um ihre Schwester und Tante nicht stehen konnte. Weil sie schon seit Jahren alleine gelebt hatte und nicht sehr viele Kontakte nach aussen pflegte, fiel auch lange nicht auf, dass sie sich immer mehr in ihre eigene Welt zurückzog. Als ein Neffe sie aber einmal besuchte und sie ihm zum Essen eineTube mit Tomatenpüree anbot, war ihm dies ein Alarmzeichen: Mit seiner Tante stimmte etwas nicht mehr. Nun wurden auch ihre Geschwis- ter aktiv. Sie sprachen mit ihremHausarzt, liessen sie in einer Memory-Klinik untersuchen und hatten bald die Gewissheit: Ihre Schwester litt an einer bereits fortgeschrittenen Demenz­ erkrankung. Ein selbstständiges Leben war nicht mehr zu verantworten. Ein Platz in einer Institution wurde gesucht und rasch gefunden – es dauerte nur wenige Monate, bis Martha F. ihre Angehörigen nicht mehr erkannte, nicht ge- nau wusste, wo sie eigentlich war. Nur gelegentlich sagte sie noch: «Ich möchte nach Hause.» Ohne äussere Anzeichen starb sie vier Jahre später 2021 im Schlaf. Steigende Zahl von Betroffenen Martha F. war eine von über 30000 Männern und Frauen, die jährlich in der Schweiz an einer Form von Demenz er- kranken. Tendenz steigend. In vielen Fällen ist es die Alzhei- mer-Krankheit. Aktuell sind in der Schweiz 146500 Men- schen von einer Form von Demenz betroffen. Fachleute rechnen damit, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf gegen 320000 ansteigen wird. Obwohl das Thema Demenz in den letzten Jahren in der Gesellschaft angekommen ist, werden Demenzerkrankun- gen oft nicht oder erst spät diagnostiziert. Mehr als die Hälf- te der heute Betroffenen – so hat Alzheimer Schweiz ausge- macht – hat nie eine Diagnose erhalten. Sowohl die Betroffenen als auch ihre Umgebung können oder wollen die Zeichen einer beginnenden Demenz oft nicht erkennen. Tatsächlich, sagt Karine Begey von Alzheimer Schweiz, wer- de noch viel zu oft eine beginnende Demenzerkrankung ignoriert. Der Grund: «Weil viele Menschen denken, es lohne sich nicht, weil die Krankheit ja nicht heilbar sei.» Dabei wäre es wichtig, früh abklären zu lassen, ob Vergess- lichkeit, Orientierungsschwierigkeiten oder das Suchen nach Wörtern Zeichen eines altersbedingten Nachlassens kogni- tiver Fähigkeiten oder der Beginn einer Demenz sind. «Je früher eine Demenzerkrankung diagnostiziert wird», sagt Begey, «umso besser und sicherer kann man planen, wie man das Leben mit der Krankheit gestalten will.» Patientenver- fügungen können so noch mit den Betroffenen formuliert werden, die Betroffenen sind noch fähig, gegenüber ihren Angehörigen ihre Wünsche und Anliegen zu formulieren. «Das ist für diese eine grosse Erleichterung.» Wo steht die Forschung? Die diesjährige von Alzheimer Schweiz und Public Health Schweiz gemeinsam organisierte Nationale Demenz-Konfe- renz (siehe Box nebenan) geht der Frage nach, wie eine De- menzerkrankung frühzeitig erkannt, wie sie diagnostiziert wird und wie man ihr begegnen kann. Die Referentinnen und Referenten informieren über den aktuellen Stand der Forschung im Bereich Diagnostik und Früherkennung. Sie fragen: Weshalb soll eine Krankheit früh diagnostiziert werden, wenn sie unheilbar ist? Aber sie fragen auch: Ende April findet in Bern und gleichzeitig online die zweite Nationale Demenz-Konferenz statt. Die Fragen im Zentrum: Wie kann eine Demenz­ erkrankung früh erkannt werden und was soll man in der Frühphase der Erkrankung unternehmen? Von Urs Tremp DIE DEMENZ-KONFERENZ 2022 An der Demenz-Konferenz am Donnerstag, 28. April 2022, im Kongresszentrum Kreuz in Bern gibt es die Möglichkeit, sich mit For- schenden, Fachpersonen aus dem Gesund- heits- und Sozialwesen, Behörden sowie Betroffenen und Angehörigen auszutau- schen. Das hybride Format der Konferenz macht es möglich, diese vor Ort (beschränk- te Platzzahl) oder online mitzuverfolgen. Eine Anmeldung zur Konferenz ist online möglich bis zum 26. April 2022 oder so lange freie Plätze vorhanden sind (Vor-Ort-Teilnahme). Die Anmeldung ist verbindlich. Detaillierte Informationen und Konferenzprogramm: de- menz-konferenz.ch

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