Magazin ARTISET | 3 2022
40 ARTISET 03 I 2022 Herausforderndes Verhalten hat seine Gründe, und bei Menschen mit Autismus lösen oft winzige Details heftige Reaktionen aus. Rahel Huber von Artiset Bildung und ihr Bruder Matthias Huber sind spezialisiert, solche Details herauszufiltern und Krisensituationen zu entschärfen. Von Claudia Weiss Spezialwissen hilft aus der Krise Es läuft wie jeden Tag, seit der junge Mann mit Diagnose Asperger-Autis- mus in der Institution wohnt: Gleich nach dem Aufstehen hat er die Kopf- hörer aufgesetzt, seither weigert er sich, sie abzustreifen. Beim Mittagessen in der Gruppe, bei Nachmittagsausflügen und beim Nachtessen: Die Kopfhörer sind auf «on», der junge Mann bleibt isoliert, reagiert auf keine Ansprechver- suche. Berührt ihn jemand am Arm, um seine Aufmerksamkeit zu gewin- nen, zuckt er zusammen und beginnt, sich in die Hand zu beissen oder um sich zu schlagen. Das Betreuungsteam seiner Institution – deren Name spielt für unser Beispiel keine Rolle – ist rat- los: So kann man ihn in keine Gruppe mit einbeziehen und auch nicht heraus- finden, welches seine Bedürfnisse sind. Alle guten Ideen sind aufgebraucht, niemand weiss weiter. Für solche Pattsituationen bietet Rahel Huber von Artiset Bildung eine Inhouse-Beratung an, bei der sie mit dem Team vor Ort nach Lösungsan- sätzen sucht. Begleitet wird sie in der Regel von ihrem Bruder Matthias Hu- ber, Psychologe an der Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der UPD Bern. Die spezielle Übersetzungshilfe Er hat selber eine Asperger-Diagnose und kann sich daher ganz anders in Menschen mit einer Autismus-Spek- trum-Störung (ASS) hineinversetzen und ihre Empfindungen in die Sprache der neurotypischen Menschen – jener ohne Autismus – übersetzen. Die Vorabklärungen laufen jeweils über Rahel Huber. Erhält sie eine An- frage von einer Institution, lässt sie sich das Problem zunächst mündlich amTe- lefon schildern. Anschliessend schicken ihr die Betreuungspersonen eine Fall- dokumentation, in der sie beschreiben, worin die Schwierigkeit liegt, was alles schon unternommen wurde und wo Unterstützung gewünscht wird. In diese Unterlagen liest sich Rahel Huber gründlich ein, orientiert sich über den konkreten Förderbedarf und die Entwicklung des Problems. Scheint ihr, die Problematik könne in das Fach- gebiet ihres Bruders gehören, zieht sie ihn hinzu, und Matthias Huber ent- scheidet, ob er einen Beitrag leisten kann. In diesen Fällen sprechen sie sich gemeinsam ab und bereiten alles so weit wie möglich vor. Vor Ort lässt sich das Spezialistenduo vom Team noch einmal alles erzählen, dann tau- schen sie sich über erste Impulse und Möglichkeiten aus. Das besondere Extra, das Rahel und Matthias Huber Aktuell
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