Magazin ARTISET | 3 2022

ARTISET 03 I 2022 43 genden sieben Kategorien zusammen- gefasst: Generativität (224 Nennun- gen),Wegbegleitung (123Nennungen), persönliche und familiäre Bereicherung (113 Nennungen), sinnvolle Tätigkeit (80 Nennungen), Familiengestaltung (53 Nennungen), Beziehung und Bin- dung (26 Nennungen) sowie Beloh- nung und Anerkennung (17 Nennun- gen). Im Folgenden sind die drei Kategorien mit den häufigsten Nen- nungen genauer beschrieben und mit- tels Zitate illustriert. Die drei wichtigsten Gründe für das Engagement der Pflege­ eltern Generativität: Generativität bedeutet, dass Pflegeeltern Verantwortung für die Folgegeneration übernehmen, indem sie dieser etwas mitgeben, was ihnen sonst verwehrt bleiben würde: «Ich möchte meinem Pflegekind eine unbe- schwerte Kindheit schenken.» Sie über- nehmen Fürsorgeverantwortung, da sie um das gegenseitige Angewiesensein der Generationen wissen: «Einem jun- gen Menschen eine Perspektive zu er- möglichen, um eine Chance zu haben, vielleicht im Leben zu bestehen oder auch nur das Leben zu wagen.» Und sie leisten einen Dienst an der Gesell- schaft, da nur eine Gesellschaft, die sich auch um die Schwächsten kümmert, dauerhaft bestehen kann: «Ich finde es wichtig, in unserer Gesellschaft Verant- wortung für Schutzbedürftige zu über- nehmen.» Wegbegleitung: Die Pflegekinder auf ihremWeg ein Stück weit begleiten zu können, erleben Pflegeeltern als befrie- digend: «Es freut mich, die Fortschrit- te der Kinder zu sehen, zu fordern und fördern und zu begleiten. Es ist schön, wenn die Augen der Kinder vor Begeis- terung leuchten und sie über sich selbst hinauswachsen.» Es erfüllt die Pflege- eltern mit Freude, wenn sie unmittel- bar miterleben können, wie sich den Pflegekindern dank ihrer Unterstüt- zung plötzlich neue Möglichkeiten im Leben eröffnen: «Immer wieder finde ich es toll, zu sehen, wie sich die Kinder zu selbständigen jungen Erwachsenen entwickeln, die ihr Leben eigenständig in die Hand nehmen können.» Persönliche und familiäre Bereicherung: Pflegeeltern profitieren in ihrer persön- lichen Entwicklung von der Aufnahme eines Pflegekindes, wie aus der folgen- den Aussage hervorgeht: «Ich lerne Seiten an mir kennen, die ich sonst wohl nicht kennen würde, und lerne, mich auch extremen emotionalen He- rausforderungen zu stellen.» Darüber hinaus können auch für die Pflegege- schwister wichtige Entwicklungsim- pulse vom Pflegekind ausgehen: «Die Erweiterung unsere Familie ist eine Bereicherung. Die leiblichen Kinder erlangen eine hohe Sozialkompetenz.» Schlüssel zur Zufriedenheit Wie aus der Zahl der aufgeführten Nennungen der jeweiligen Kategorien hervorgeht, gaben die Pflegeeltern ein- deutig am häufigsten an, dass sie es schätzen würden, generativ wirken zu können. Generativität zeichnet sich da- durch aus, dass etwas von bleibendem Wert zu schaffen versucht wird, wie es für die Erziehung von Kindern typisch ist. Allerdings handelt es sich bei der Erziehung immer nur um Verände- rungsversuche mit offenem Ausgang, weswegen Pflegeeltern nicht wissen können, ob sie in ihrem erzieherischen Tun auch wirklich erfolgreich sind. Es überraschte daher auch nicht, dass die Kombination «Generativität» und «Wegbegleitung» klar am häufigsten vorkommt. Die Pflegeeltern unterneh- men in ihrem generativen Handeln nämlich den Versuch, etwas von blei- bendem Wert zu schaffen, und möch- ten auch erfahren können, dass ihnen dies tatsächlich gelingt. Wenn sich also ein Pflegevater dahingehend äussert, dass er sich gerne für sein Pflegekind engagiert, um miterleben zu können, wie sich das Pflegekind zu einer leben- stüchtigen und zufriedenen Person entwickelt, so kann er erfahren, wie sein Engagement einen bleibenden Wert schafft. Das Schaffen eines bleibenden Wertes erleben Pflegeeltern als besonders sinn- stiftend. Und diese Sinnfindung hilft den Pflegeeltern nicht nur dabei, die sich immer wieder neu stellenden He- rausforderungen mit ihren Pflegekin- dern etwas leichter anzunehmen, son- dern stellt darüber hinaus ganz generell eine wichtige Quelle von Zufriedenheit dar. Im Gegensatz zur verbreiteten Fehlannahme unserer selbstzentrierten Gesellschaft, wonach primär die Kon- zentration auf sich selbst glücklich macht, stellt sich über das Engagement für andere eher Zufriedenheit ein.  * Marius Metzger leitet das Kompetenzzentrum für Erziehung, Bildung und Betreuung in Le- bensphasen am Institut für Sozialpädagogik und Bildung am Departement Soziale Arbeit der Hochschule Luzern DIE PFLEGEELTERNSTUDIE Die im Artikel präsentierten Teilergeb- nisse nehmen Bezug auf eine breit an- gelegte Online-Befragung von 517 Pflegeelternteilen, die von der Hoch- schule Luzern – Soziale Arbeit gemein- sammit der Schweizerischen Fachstel- le Pflegefamilien (SFP) im Zeitraum April 2020 bis April 2021 durchgeführt worden ist. Da die Schweizer Fachstel- le für Pflegefamilien mit verschiedenen Angeboten Pflegefamilien in ihrer an- spruchsvollen Aufgabe zu unterstütz- ten versucht, wurden in der Auswer- tung dieser Ergebnisse zudem allfällige Zusammenhänge zwischen der Inan- spruchnahme von solchen Unterstüt- zungsangeboten und potenziellen Wir- kungen berechnet. «Ich lerne Seiten an mir kennen, die ich sonst wohl nicht kennen würde.» Ein Pflegevater

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