Magazin ARTISET | 3 2022

44 ARTISET 03 I 2022 Aktuell Derzeit wird häufig von der sogenannten Bildungsoffensive in den Pflegeberufen gesprochen. In erster Linie ist damit eine Ausweitung der Ausbildungsplätze gemeint. Es wird mehr ausgebildetes Personal gefordert, um Personalengpässe zu bekämpfen («Pflegenotstand»). Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Ausbildung von Gesundheitspersonal auch aus inhaltlicher Perspektive vor grosse Herausforderungen gestellt ist. Angesichts des rasanten wissenschaftlichen Fort- schritts wird von den ausgebildeten Fachkräften erwartet, sich stets an den neuesten Erkenntnisstand anzupassen und diesen in die Praxis umzusetzen. Damit sind wir beim entscheidenden Schlagwort ange- langt: Praxisorientierung. Das ist eines jener Konzepte, wel- ches die nationalen Bildungsreformen prägt. Das ergibt aus lerntheoretischer Sicht Sinn. Gemäss der Idee des situierten Lernens werden Kompetenzen dann am besten erworben, wenn das Lernen in einem räumlichen und sozialen Kontext stattfindet, der möglichst genau mit der tatsächlichen Berufs- situation übereinstimmt. Damit dies aber gelingt, müssen die Bildungsinstitutionen moderne Hilfsmittel einsetzen, die dem Anspruch der Praxisorientierung auch tatsächlich ge- recht werden können. Praxisorientiertes Lernen mit Virtual Reality Eine Möglichkeit solcher Hilfsmittel können Virtual Reality Headsets sein. Tatsächlich eröffnet die virtuelle Realität (VR) Möglichkeiten, die mit klassischen Lehrmethoden nicht möglich wären. Anders als Laptops oder Tablets ermöglicht VR ein umfassenderes Eintauchen in eine Lernumgebung. In den Headsets eingebaute Bewegungssensoren erlauben dabei das freie Erkunden einer Lernumgebung. Dank Hand- controllern kann auf natürliche Weise mit virtuellen Gegen- ständen interagiert werden. Zudem verfügen viele VR-Anwendungen heute über eine Multiplayer-Funktion. Dies bedeutet, dass mehrere Studierende in Echtzeit gemeinsam an einer Trainingsaufgabe arbeiten können. Besonders naheliegend ist der Gebrauch von VR-Simu- lationen im Anatomieunterricht. Virtuelle Modelle von Organen fördern das Verständnis für die dreidimensionalen Strukturen und ihrer Lage im Raum. Mithilfe von interak- tiven Animationen können auch pathologische Vorgänge auf einzigartige Weise erlebbar gemacht werden. Nebst der Vermittlung von Basiswissen eignet sich VR ausgezeichnet für das Einüben von Routineabläufen. Wird eine Pflegefachkraft an ein Patientenbett gerufen, muss sie innert kürzester Zeit die Situation des Patienten ganzheitlich erfassen. Dies setzt eine rasche Auffassungsgabe und ein ge- schultes Auge für potenzielle Gefahren voraus. Kleine Unaufmerksamkeiten können gravierende Folgen für den Patienten haben. Das Berner Bildungszentrum Pflege (BZ Pflege) hat deshalb eine VR-Anwendung zum Thema Pati- entensicherheit evaluiert. Dabei stellte sich heraus, dass Stu- dierende mehr Gefahren erkannten, wenn sie zusätzlich zum Frontalunterricht eine VR-Übung durchlaufen hatten. Die erwähnten Beispiele verbindet die Möglichkeit, eine bestimmte Handlung beliebig oft und völlig risikofrei zu wiederholen. Die Trainings lassen sich zudem orts- und zeit­ unabhängig durchführen. Dozierende sind nicht mehr auf die Verfügbarkeit von Trainingsräumen angewiesen. Sogar kommunikative Fähigkeiten, die so zentral für die Gesund- heitsberufe sind, können über Distanz geübt werden. Zu diesem Thema haben wir an der Fernfachhochschule Schweiz kürzlich eine VR-Anwendung im Rahmen einer Machbarkeitsstudie entwickelt. Dabei haben Studierende Virtuelle Trainings für reale Kompetenzen In der virtuellen Realität (VR) können typische Berufssituationen risikofrei und praxisnah geübt werden. Die Forschung weist darauf hin, dass VR effiziente Kommunikation ermöglicht und sich als Hilfsmittel in der Ausbildung von Gesundheitspersonal anbietet. Von Ivan Moser*

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