Magazin ARTISET | 3 2022

46  ARTISET 03 I 2022 Politische Feder Umsetzung der UN-BRK: Das Tempo ist zu langsam «Viele Menschen mit Behinderungen leben in Heimen. Die nötige Unter- stützung, um so zu wohnen wie andere Menschen auch, besteht häufig nicht.» Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Basel und Mitglied im UN-Behindertenrechtsausschuss. Foto: Eleni Kougionis Die Schweiz hat im Jahr 2014 das UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) ratifiziert. Damit hat sie sich rechtlich verpflichtet, die in diesem Staatsvertrag verankerten Rechte zu gewährleisten und die darin niedergelegten Verpflichtungen zu erfüllen. Dies wird vom zuständigen UNO-Ausschuss überprüft. Die Überprüfung fand vom 14. bis 16. März in Genf statt; eine kleine Delegation der Schweiz war dabei vor Ort an- wesend, gut dreissig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesverwaltung und der Kantone waren online auf Abruf verfügbar. Zuvor fand ein Austausch mit den Behinderten- organisationen statt. In allen der 184 Vertragsstaaten besteht grosser Handlungs- bedarf, so auch in der Schweiz. Hier eine kleine Auswahl: Heute müssen in der Schweiz Dienstleistungen privater Anbieter nicht an die Anforderungen von Menschen mit Behinderungen angepasst werden. Verboten ist nur eine Dis- kriminierung, die vom Bundesgericht zudem kaum je bejaht wird. Sogar wenn eine Diskriminierung vorliegt, muss der Private lediglich einen Betrag von maximal 5000 Franken bezahlen; anpassen muss er nichts. Viele Menschen mit Behinderungen leben in Heimen. Die nötige Unterstützung, um so zu wohnen wie andere Men- schen auch, besteht häufig nicht. Zudem sind einigen Hei- men Werkstätten angegliedert. Oft besteht keine effektive Wahl, ob sie tagsüber arbeiten möchten oder nicht. In privaten Arbeitsverhältnissen existieren keine ausdrückli- chen Regeln zum Schutz von Menschen mit Behinderungen. Damit besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Schweiz ihre Verpflichtungen verletzt. Probleme bestehen auch bei Beistandschaften für Menschen mit Behinderungen. Solche müssen die Betroffenen in ihren Entscheiden unterstützen; Beistandschaften dürfen den Beistand aber nicht ermächti- gen, gegen den Willen der Betroffenen zu entscheiden. Insgesamt zeigt das Überprüfungsverfahren, dass die Schweiz noch einen langenWeg vor sich hat und das bisherige Tempo zu langsam war. Es ist Sache des Bundesrates, der Bundesversammlung, der Kantone und der Behindertenorganisationen, die Rechte von Menschen mit Behinderungen inskünftig mit mehr Elan umzusetzen.

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