Magazin ARTISET | 3 2022
8 ARTISET 03 I 2022 Menüplanung erstellen, Einkauf planen etc. «Das führt dann zu einem Alltag im normalen sozialen Leben. Partizipation und Diversität eben.» Eine Art bäuerliche Kommunen In zwei Wohngemeinschaften des Chupferhammers gibt es eine Art bäuerliche Kommune. Die betreuten Menschen, die gerne naturnah leben und Freude anTätigkeiten in Haus und Hof haben, leben in einer der beiden Wohngemein- schaften inklusive Tagesstruktur. Entsprechend ihren Vor- lieben und Fähigkeiten beteiligen sie sich am Alltag im und um den idyllisch gelegenen Bauernhof. «Teilnahme und Inklusion werden gepflegt», gemäss den Leitungen Alpenhof (SG), in Walenstadtberg hoch über dem Walensee und in Stocken (AR). «Die individuellen Persönlichkeiten mit ihren Kompe- tenzen, Begabungen und Meinungen bereichern das Leben im Chupferhammer und ermöglichen gegenseitiges Lernen.» Ruth Camenisch sagt: «Jede Wohn- und Lebensgemein- schaft sowie die Werkstatt haben ein eigenes Konzept. Da- rin ist definiert und beschrieben, was das jeweilige Angebot beinhaltet. Übergeordnet ist das Konzept des Vereins Chup- ferhammer.» Die Wohngemeinschaften haben unterschiedliche Schwerpunkte. Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen die Wahlfreiheit haben, wie sie leben und wohnen wollen. Das entspricht dem Selbstbestimmungsgesetz und der Sub- jektfinanzierung beispielsweise des Kantons Zürich. Der Chupferhammer pflegt diesen Weg seit der Gründung. Selbstbestimmung auch in den Werkstätten René Frischknecht ergänzt: «Auch in den 4 Werkstattabtei- lungen wählen die Menschen das Angebot, welches sie ger- ne nutzen möchten und welches ihnen Freude macht. Sie können auf Wunsch die Abteilung wechseln oder in zwei Abteilungen arbeiten. Wichtig ist, dass sie motiviert bleiben und sinnstiftende Arbeiten ausführen können.» Auf dem Alpenhof über dem Walensee leben sieben Be- wohner und Bewohnerinnen. Was sie gerne tun und was sie gut können, hält der letzte Jahresbericht des Chupferham- mers fest: Wäsche falten, Post holen und bringen, Begleit- personen an Termine erinnern, kochen, Raupenkarette fah- ren, holzen, lachen und Bier trinken, alles für die Schafe machen, Hühner ausmisten, Schnee fräsen, Haushalt, Teich für die Enten putzen, Enten ausmisten, Schnee schaufeln, Lämmli streicheln, singen, Bürdeli machen, imTixitaxi mit- fahren und Zimmer putzen. Der Alpenhof mit seinem Standort, den dazugehörigen Aufgaben, Möglichkeiten und Menschen ist rundum viel- fältig. Es braucht alle, und alle tragen etwas zum guten Leben bei. Knappe hundert Kilometer nordwestlich des abgeschie- denen Alpenhofs wohnt eine ganz andere Chupferham- mer-Lebensgemeinschaft im Mehrgenerationenhaus Gies- serei in Winterthur. Die vor zehn Jahren entstandene Siedlung war von Anfang an auf Diversität angelegt. Da war es nur selbstverständlich, dass sich hier eine Lebensgemein- schaft (LG) von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigun- gen einrichtete. Für manche wird die LG Ida-Sträuli-Strasse ein Zuhause bis ins hohe Alter werden, für andere eine Mög- lichkeit, sich für selbstständigere Formen von Wohnen wei- terzuentwickeln. Zum Angebot dieser Lebensmöglichkeit in Winterthur gehören im selben Areal Werkstätten und ein Raum für Kreativarbeiten. Angegliedert an die LG Ida-Sträuli-Strasse ist die etwas entfernt liegende Fächerei. Sie dient der Lebensgemeinschaft als Tagesstrukturangebot für die kreative Beschäftigung. Au- sserdem können externe Interessenten ebenso wie interne Fächer mieten und ihre selbst gestalteten Artikel zum Ver- kauf anbieten. Arbeit für den ersten Markt Frage an René Frischknecht, den Abteilungsleiter der Po- lywerkstatt im Rosengarten: Arbeitet man in den Werkstat- tabteilungen auch für Betriebe des ersten Arbeitsmarktes? Tatsächlich wird unter anderem für die in Ebnat-Kappel beheimatete bekannte Bürstenfabrik gearbeitet. Die Holzwerkstatt, eine weitere Abteilung der Werkstatt im Ro- sengarten, ist für die Gemeinde Ebnat-Kappel tätig: Sie un- terhält und wartet die Sitzbänkli auf dem gesamten Gemein- degebiet entlang denWander- und Spazierwegen. «Wir sind auch immer wieder mit verschiedenen Unternehmungen im Toggenburg in Kontakt und versuchen, für die betreuten Mitarbeitenden sinnstiftende Arbeiten zu erhalten», sagt Frischknecht. Das sei wichtig, ergänzt Ruth Camenisch: «Wir versuchen, die regionalen Betriebe dafür zu sensibili- sieren, dass Menschen mit Beeinträchtigung wertvolle Ar- beiten für sie leisten, und pflegen Kontakte. Eine Integrati- on in den ersten Arbeitsmarkt könnte auch ein Ziel sein. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass der Druck in der freien Wirtschaft sehr gross ist.» René Frischknecht betont: «Bei uns ist es der soziale Ge- danke, der zentral ist. Und die Diversität verlangt eine grosse Flexibilität. Wir müssen viel mehr Rücksicht nehmen auf die Tagesform der einzelnen Menschen, auf ihre Befindlich- «Wir müssen viel mehr Rücksicht nehmen auf die Tagesform der einzelnen Menschen.» René Frischknecht, Werkstattleiter Im Fokus
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