ARTISET 03 I 2023 19 Im Fokus Die Interessen in Alters- und Pflegeheimen sind oft gegensätzlich: Soziale und pflegerische Themen, Privat- und Gemeinschaftsbereich, Lebens- und Arbeitsraum müssen in Einklang gebracht werden. Zudem streben die Institutionen nach Ausbau und Diversifizierung. «Bei all diesen Entwicklungen müssen wir einem humanistischen Ansatz treu bleiben», betont Architekt Bruno Marchand. Interview: Anne-Marie Nicole «Es kommt auf die Feinheiten an» Herr Marchand: Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Zuhause aus? Es gibt keine klare Antwort auf diese Frage, da die Idee vom «Zuhause» verschiedene Vorstellungen weckt, die nicht spezifisch an das Haus gebunden sind. «Nach Hause kommen» kann sich auf ein Land, ein Quartier, eine Kultur, eine Identität, die Wurzeln beziehen. In der Architektur verbindet man das Zuhause mit zwei Begriffen: Behaglichkeit und Zugehörigkeit. Räume, in denen Sie sich wohlfühlen und mit denen Sie sich im Alltagsleben identifizieren können, machen ein richtiges Zuhause aus. Je nach Projekt wissen die Architektinnen und Architekten nicht, für wen es bestimmt ist. Wenn ich ein Mehrfamilienhaus baue, weiss ich nicht, wer dort wohnen wird. Ich übertrage also tendenziell meine eigenenWerte auf dieWohnung, in der Hoffnung, dass die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner diese teilen. Und wie sieht es bei einer institutionellen Wohnform aus? Das ist anspruchsvoller. Hier leben Menschen an einem Ort zusammen, den sie sich nicht ausgesucht haben. Auch wenn die Gemeinschaftsräume wichtig sind, ist doch das Zimmer der Hauptlebensraum, vor allem in Anbetracht der steigenden Pflegebedürfnisse. Die Menschen ziehen mit ihren Möbeln und Gegenständen ein. Dadurch wird das Zimmer zu einem Ort der Erinnerung. Ich habe viele Zimmer in Alterszentren besucht und denke, dass sie auch das Lebensende widerspiegeln. Manche Menschen bringen nur das absolute Minimum mit, andere viele Erinnerungsstücke. Wie kann die Architektur zur Lebensqualität der Bewohnenden beitragen? Alterspflegeheime sind ganz besondere Bauwerke mit einer starken humanistischen Dimension. Die Menschen, die dort leben, verbinden ihre Gefühle
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