Bedürfnisgerecht bauen

20 ARTISET 03 I 2023 mit ihrem Lebensraum. Er muss behaglich, sicher und zugänglich sein und ihnen sowohl in psychischer wie auch in materieller Hinsicht Komfort bieten. Menschen reagieren sensitiv auf Farben, das Ambiente und auch Veränderungen des Lichts. In der Regel achten Architektinnen und Architekten auf diese Dinge. Ich habe deshalb noch selten ein schlecht konzipiertes Pflegeheim gesehen. Manche sind interessanter als andere, sicher, aber es wird stets darauf geachtet, dass man sich heimisch fühlt und nicht wie im Spital. Es kommt auf die Feinheiten an. Können Sie das genauer erklären? Die Feinheiten bewirken, dass in einem pflegerischen Umfeld eine heimische Atmosphäre entsteht. Einige sind wichtiger als andere. Dazu gehört zum Beispiel der Vorraum als symbolische Schwelle zwischen demGemeinschafts- und dem Privatbereich, in unserem Fall zwischen dem Flur und dem Zimmer. Auch die Türdicke ist von Bedeutung. Wie in einer Wohnung sollte man sich dahinter sicher fühlen. Aussenbereiche wie Balkone und Loggien laden dazu ein, das Zimmer zu verlassen. In den Fluren und Gemeinschaftsbereichen können die Wandleisten höher angebracht werden und so als diskreteren Handlauf dienen als die Geländer entlang der Wände, die zu sehr Symbol einer eingeschränkten Mobilität sind. Und im Zimmer können auf einem kleinen Brett vor dem Fenster Blumen oder kleine Sachen hingestellt werden. Leider besteht die Gefahr, dass man aus wirtschaftlichen Gründen auf diese Feinheiten verzichtet. Und diese Feinheiten können aus einem Pflegeheim ein Zuhause machen? Sagen wir es so: Sie erleichtern den Übergang vomDaheim zur Institution und sollen die Atmosphäre einer Privatwohnung wiedergeben. Im Idealfall kann man sich ein Pflegeheim wie ein grosses Landhaus vorstellen mit einem gemeinsamen Lebensraum im Erdgeschoss und den Zimmern im ersten Stock. Heute lässt die Grösse der Einrichtungen dies jedoch nicht mehr zu. Die steigende Lebenserwartung und die zunehmende Zahl anMenschen im Alter mit Unterstützungsbedarf lassen die Institutionen wachsen. Bei 80 Zimmern ist der architektonische Ansatz zum Beispiel ganz anders. Weniger als drei bis vier Stockwerke sind fast nicht möglich. Die höheren Dimensionen verändern auch das Erscheinungsbild der Räume. Für die oberen Etagen muss man den Lift nehmen, wie in einem Wohnblock. Diese Veränderung ist nicht zu unterschätzen. Die Architekturpläne für Pflegeheime sehen sich mit verschiedenen Ansprüchen konfrontiert: Wie kann man all diesen gerecht werden? Generell bewegt sich die Architektur in Richtung einer «Dysfunktionalität» der Bruno Marchand: «Die Feinheiten bewirken, dass in einem pflegerischen Umfeld eine heimische Atmosphäre entsteht.» Foto: Florian Cela/24Heures

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