Bedürfnisgerecht bauen

ARTISET 03 I 2023 29 Die selbstverwaltete Wohnbaugenossenschaft (WBG) Huebergass in Bern ist das Zuhause von rund 400 Menschen, darunter vielen Familien, aber auch von Menschen in ganz anderen Lebenssituationen. Das Zusammenleben in einer diversen Gemeinschaft ist anspruchsvoll. Die Architektur der «Huebergass» regt an, sich für das Miteinander zu engagieren. Von Elisabeth Seifert Wer von der Huberstrasse in Bern in die «Huebergass» einbiegt, glaubt sich in einer anderen, beinahe südländisch anmutenden Welt. Die Gasse zieht sich nicht schnurgerade durch das kleine Quartier, sondern in der Form eines langgezogenen «S». Nord- und südseitig sind mehrere dreistöckige, kubusförmige Häuser jeweils leicht versetzt angeordnet, was immer neue Entdeckungen ermöglicht. Ins Auge springen sofort die den Hausfassaden vorgehängten Holzkonstruktionen mit Balkonen, die ähnlich von Loggien die Gebäude respektive die Wohnungen zum Aussenraum hin öffnen. Die Balkone sind ausschliesslich auf die Huebergass hin ausgerichtet – und fördern so die Kontakte über die Gasse. Schnell wird klar: Mit der Architektur sollen die Gemeinschaft und der Austausch untereinander angeregt werden. Alle Wohnungen haben bodentiefe, zwei oder dreiflügelige Fenster, die viel Licht einlassen – und den Bezug zur Welt draussen schaffen. Einen gemeinschaftsbildenden Effekt haben auch die aussenliegenden Stiegen, die – neben einem innenliegenden Lift – direkt von der Huebergass auf die Stockwerke und in die Wohnungen führen. Zudem fällt auf, dass im Erdgeschoss der Häuser neben Wohnungen auch eine Reihe unterschiedlicher Räume liegen, die in irgendeiner Art und Weise gemeinschaftlich genutzt werden. Neben den obligaten Waschküchen gibt’s etwa mit dem «Quartierdepot» eine Art Quartierladen, zudem ein Spielzimmer für Kinder und sogar eine Kita. Darüber hinaus gehören multifunktional einsetzbare Räume sowie das grossräumige Café Hueber, das mit einer kleinen Bühne für allerhand Events ausgestattet ist, zur Siedlung. «Ein vibrierender Sozialraum» Die Menschen, die hier wohnen, suchen die Gemeinschaft – und wollen sich für die Gemeinschaft engagieren. Dies lässt sich selbst bei meinem Besuch an einem frühen Montagnachmittag bei eher kühleren Temperaturen erahnen. Die Personen, denen ich begegne, grüssen freundlich. Und die Transparente, die an den Holzkonstruktionen respektive den Balkonen hängen, zeugen von einer Sensibilität für soziale Fragen. «An Samstagen, ganz besonders in der warmen Jahreszeit, ist die Huebergass ein vibrierender Sozialraum», sagt Raphael Burkhalter. Er ist in der Region Bern für die Projektgewinnung des Immobilienunternehmens Halter AG tätig sowie Vorstandsmitglied der Entwicklungsgenossenschaft «Wir sind Stadtgarten», einer Schwesterfirma von Halter. In dieser Funktion hat er die «Huebergass» als Projektleiter gemeinsam mit einem Architektur- und Fachplanerteam entwickelt. «Wir sind Stadtgarten» hatte im Rahmen des von der Stadt Bern im Jahr 2016 ausgeschriebenen Wettbewerbs für «Niedrig-Standard-Wohnraum» die Rolle des gemeinnützigenWohnbauträgers inne, die Mutterfirma Halter stellte das Planungsteam. Im Verlauf der Realisierung des Projekts hat die Entwicklungsgenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» die gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft (WBG) Huebergass aufgebaut, welche die Liegenschaft im kollektiven Eigentum besitzt und selbst verwaltet. Die Mieterinnen und Mieter respektive die Genossenschafterinnen und Genossenschafter kaufen Wohnanteilscheine und bezahlen für ihre Wohnungen monatlich eine Kostenmiete. Die über 100 Wohnungen, von Atelier- über Familien- bis hin zu Clusterwohnungen, waren bereits rund zwei Jahre vor dem Bezug der Wohnungen im Frühling 2021 vergeben. Rund 400Menschen wohnen heute hier, darunter – wie von der Stadt Bern vorgesehen – viele Familien; darüber hinaus Menschen unterschiedlichen Alters in verschiedenen Lebenssituationen. Ein gewisser Prozentsatz der – vor allem kleinen – Wohnungen ist an institutionelle Mieter respektive Genossenschafter vergeben, die diese an Klientinnen und Klienten untervermieten. Dazu gehört etwa der Schlossgarten Riggisberg BE, eine Institution, die Menschen mit psychischer Beeinträchtigung begleitet, oder auch Sora Bern, die neben Familien auch junge Erwachsene in ihrer Wohnkompetenz und der persönlichen Entwicklung fördert.

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