Bedürfnisgerecht bauen

ARTISET 03 I 2023 41 Aktuell Mit Ihrem Vorschlag einer Anschubfinanzierung durch den Bund möchten Sie bewirken, dass alle Akteure am gleichen Strick ziehen. Wie soll dies gelingen? Höchli: Ähnlich wie bei der Ausbildungsoffensive könnte der Bund über einen bestimmten Zeitraum hinweg einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sprechen. Der Bund würde damit einen Anreiz für die Kantone und Gemeinden schaffen, mitzuziehen. So müssten die Kantone ihrerseits ebenfalls Geld auf denTisch legen. Und so wie bei der Ausbildungsoffensive müssten auch hier die Betriebe ins Boot geholten werden, indem sie verpflichtet werden, bestimmte Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen umzusetzen. Wir schlagen hierfür verschiedene Modelle vor. Eine möglichst einfache Wirkungsmessung soll dann überprüfen, ob die Massnahmen etwas bringen. Und wenn die Anschubfinanzierung ausläuft: Wer soll dann die Finanzierung besserer Anstellungsbedingungen übernehmen? Höchli: Während der Laufzeit des Programms erarbeiten wir objektive Daten dafür, welche Massnahmen wirklich dazu beitragen, dass die Pflegenden länger im Beruf gehalten werden können. In der Folge geht es dann darum, sowohl die OKP-Beiträge als auch die Restfinanzierung um die dafür nötigen Beiträge zu erhöhen.Wichtig ist, dass beide, sowohl die Krankenversicherer als auch die Kantone, ihren Teil beitragen. Neben Bund und Kantonen sehen Sie auch die Leistungs- erbringer in der Pflicht? Leser: Ohne mehr Geld vonseiten des Bundes und der Kantone werden wir die grossen künftigen Herausforderungen nicht meistern. Andererseits müssen wir aber den Blick auch auf unsere Branche selbst richten. Es gibt Heime, die von sich sagen, keine Personalprobleme zu haben. Auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen haben die Arbeitgebenden die Möglichkeit und die Verantwortung, für möglichst gute Bedingungen zu sorgen. Woran denken Sie? Leser: Es geht zum Beispiel um eine gute Arbeitskultur. Die Heimleitung trägt hierfür eine grosse Verantwortung. Schon vor zehn Jahren hat der Branchenverband Curaviva zudem eine Broschüre mit Massnahmen zusammengestellt, die jeder Betrieb umsetzen kann. Zentral ist auch eine auf die Zukunft ausgerichtete Strategie des ganzen Betriebs. Modern geführte Betriebe können Personal besser gewinnen und halten. Höchli: Wir haben in der Branche Hausaufgaben zu bewältigen, was die Arbeitskultur oder die Arbeitsorganisation betrifft. Das Problem des Personalmangels haben wir damit aber noch nicht gelöst. Die Leute wechseln nämlich nicht einfach den Arbeitgeber, sondern sie steigen ganz aus der Branche aus; wegen einer zu hohen Belastung zum Beispiel, oder zu wenig Erholung. Wenn man diese Parameter verändern will, dann braucht es mehr Geld. Versicherer und Kantone zu höheren Beiträgen in der Regelfinanzierung zu bewegen, wird eine riesige Herausforderung sein? Leser: Wenn wir nichts machen, dann werden viele Heime künftig gezwungen sein, Betten zu reduzieren. Was aber geschieht dann mit den vielen hochbetagten Menschen, die auf eine professionelle Pflege und Betreuung angewiesen sind? Höchli: Es wird dann gelingen, wenn die Überzeugung wächst, dass wir wirklich etwas machen müssen. Es gelingt nicht, wenn die Verhinderung des Prämienwachstums das oberste Primat ist. Aufgrund der Demografie werden wir in der Langzeitpflege künftig ein Mengenwachstum haben. Wir dürfen die alten Menschen nicht zu Geiseln der Überzeugung machen, dass die Gesundheitskosten in diesem Bereich nicht steigen dürfen. * Daniel Höchli ist Geschäftsführer der Föderation Artiset mit ihren Branchenverbänden Curaviva, Insos und Youvita. * Markus Leser ist Senior Consultant des Branchenverbands Curaviva. AUCH IM SOZIALBEREICH EIN THEMA Artiset plädiert dafür, das Förderprogramm (siehe Interview) auch auf Dienstleister im Sozialbereich auszudehnen. «Auch bei der Langzeitbetreuung und -begleitung stellt sich die Frage nach einer angemessenen Abgeltung von Leistungen und von anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen immer dringlicher», heisst es in einer Mitteilung. Und: «Aus der aktuell schwierigen Situation im Pflegebereich können jetzt die notwendigen Lehren gezogen werden, um eine ähnliche Entwicklung im Sozialbereich zu vermeiden.» Ohne Korrekturmassnahmen werde sich der Fachkräftemangel auch im Sozialbereich weiter akzentuieren. Umso mehr als Pflege und Betreuung sich als Teile einer ganzheitlich, bedürfnisorientierten Gesundheitsversorgung nicht mehr länger trennscharf unterscheiden lassen. Die Vorschläge des Bundesrats zur Umsetzung des zweiten Pakets der Pflegeinitiative finden Sie hier:

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