ARTISET 03 I 2024 11 Anzeige Ich höre, also lese ich. Lesen, ohne das Buch zu sehen: Unsere Medien bieten Sehbehinderten einen Zugang zur Weltliteratur. Helfen auch Sie, Literatur für alle hörbar zu machen! SPENDENKONTO CH74 0900 0000 8000 1514 1 SPENDEN MIT TWINT Im Fokus Zudem gibt es Ressourcen, die sich aus dem Umfeld speisen: So stehen isoliert lebenden Menschen weniger Ressourcen zur Verfügung als solchen, die verschiedenen sozialen Gruppen angehören, mit denen sie sich identifizieren und an denen sie sich orientieren können. Sozial sehr aktive Menschen sind auch in der Lage, sich neue Ressourcen zu erschliessen, sich neu zu orientieren und Zukunftspläne zu entwickeln. Ist die Identität von sogenannt vulnerablen Personen zwingend verletzlich und instabil? Nein. Die Identität kann sich wirklich auf ganz viele verschiedene Arten ausdrücken und bilden. Manche Personen finden Nischen, wo sie sich entfalten können. So zum Beispiel im Sport für Menschen mit Behinderung. Bei der Identität geht es auch um die Art und Weise, wie man sich in der Welt verortet. Und das ist nicht immer einfach, selbst für Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht als verletzlich gelten. Es ist schwierig, so zu leben, wie man das selbst wirklich will, und nicht einfach so, wie das soziale Umfeld dies einfordert. In einem Umfeld, in einer Gesellschaft, die offen ist gegenüber anderen Lebensentwürfen und Lebensmöglichkeiten, wo Menschen weder stigmatisiert noch diskriminiert werden, ist es auch einfacher, seine Vulnerabilität oder Behinderung zu akzeptieren. Vulnerabilität ruft oft negative Vorstellungen hervor. Begünstigt dies die Abschottung von anderen? Menschen, die diskriminiert werden, weil sie nicht einem bestimmten Gesellschaftsmodell entsprechen, schliessen sich oft zusammen. So finden sie Solidarität und erhalten mehr Gewicht gegenüber jenen, die sie diskriminieren. Das ist der Grund für die Entstehung von sozialen Bewegungen. In solchen Bewegungen entsteht eine kollektive Identität von Menschen, die in der gleichen Situation sind. Der Zusammenschluss in solchen Bewegungen ermöglicht es dann, sich gegenüber der Gesellschaft, in der sie aufgrund ihrer Verhaltensweisen oder Überzeugungen marginalisiert werden, besser verteidigen können. Mittels ihrer Präsenz im öffentlichen Raum machen sie auf sich aufmerksam. Sprechen Sie hier auf die «Mad Pride»-Bewegung an? Diese ist ja in Anlehnung an die «Gay Pride»- Bewegung entstanden. Sich mit anderen Menschen, die sich durch eine gemeinsame Identität miteinander verbunden fühlen, im öffentlichen Raum zu bewegen, hat zum Ziel, die Gesellschaft für eine Problematik zu sensibilisieren. Die Gruppe bietet Sichtbarkeit. Eine Einzelperson hat viel mehr Mühe, sich Gehör zu verschaffen. Mittels solcher sozialer Bewegungen sind in den letzten Jahren wichtige gesellschaftspolitische Themen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten, insbesondere rund um Genderfragen. «Einzigartig oder auch autonom sein zu müssen, vermittelt die Vorstellung, dass alle, die nicht autonom sind – dazu gehören Menschen mit Behinderung und betagte Personen –, verletzlich oder abhängig sind.» Dario Spini
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