ARTISET 03 I 2024 23 Die stetige Dokumentation dieser Ausdrucksformen hilft dem Team, Äusserungen richtig zu deuten und Finessen in der Kommunikation wahrzunehmen. Auch die Unterstützte Kommunikation (UK), die im Discherheim in den letzten Jahren ausgebaut und professionalisiert worden ist, leistet im Alltag wertvolle Dienste. Eine multimodale Kommunikation mit Piktogrammen, Visualisierungen, Gesten, Gebärden und technischen Kommunikationsmitteln gehört laut Nicole Danis, UKFachverantwortliche, heute zum Standard. Sie ermöglicht es Menschen ohne Lautsprache, aktiv am Leben teilzunehmen, und unterstützt sie auf ihrem Weg zum Ich. Ein Ziel, das auch die Basale Stimulation verfolgt; sie findet in der Pflege, der Betreuung und sämtlichen Angeboten des Discherheims Anwendung und ermöglicht es, das Innen und Aussen bewusst wahrzunehmen. Und auch beim Snoezelen werden die Angebote ganz spezifisch auf die jeweilige Person abgestimmt, damit sie ein Gefühl für den eigenen Körper entwickelt. «Nichts muss, alles kann» lautet die Devise hinter diesem Angebot, welches Entspannung durch gezielte Sinnesreize herbeiführt. Und da wäre noch Oli, ein gern gesehener Gast im Discherheim. Ob im Einzelsetting oder bei Besuchen auf den Gruppen: Oli öffnet Herzen, löst Zungen, lässt Tränen fliessen und Träume greifbar machen. Die einfühlsame Schosspuppe, die Helga Willimann beim therapeutischen Figurenspiel zum Leben erweckt, schafft auch für schwierige Themen eine Bühne. Etwa, wenn sich jemand innigst wünscht, eine Familie zu gründen. «Oli kann helfen, Dinge von einer anderen Seite zu beleuchten, Trost spenden und das Gegenüber befähigen, sich selbst Lösungen auszudenken», so Helga Willimann. Gefässe für Partizipation schaffen Neue Tools und Ideen, um der eigenen Identität auf die Spur zu kommen – das wird bei der Tour d’horizon zum Thema klar –, stossen im Discherheim auf offene Ohren. Tanja Zimmermann, die den Bereich Agogik leitet, nimmt zwei Bücher in unterschiedlichen Formaten zur Hand: Die sogenannten IchBücher und die Biografiearbeit sind weitere Mittel, um darzustellen, was einer Person wichtig ist. Die aufwendig gestalteten Werke dokumentieren wichtige Lebensstationen und Erfahrungen. «Unsere Klientinnen und Klienten können so auch später im Leben auf das zurückblicken, was bisher passiert ist, und entwickeln ein Bewusstsein für die eigene Biografie.» Eine weitere Möglichkeit, um neue Erfahrungen zu machen, ist der im Jahr 2022 gegründete «Klient*innen Rat». Dieser trifft sich einmal im Monat, entscheidet über Inhalte des Jahresberichts oder Themen aus der Geschäftsleitung, holt Meinungen aus den Wohngruppen ein, übernimmt Teilaufgaben für Events und bringt sich punktuell ins Tagesgeschäft ein. «Wenn wir als Institution Türen fürs Mitbestimmen öffnen, passiert immer wieder Überraschendes», freut sich Tanja Zimmermann. Keine Carte blanche Die Bereichsverantwortlichen im Discherheim sind sich einig: Je mehr Wahl und Partizipationsmöglichkeiten die Klientinnen und Klienten erhalten, desto leichter wird es für sie, die eigene Identität zu entdecken. Hinzu kommt: Wenn der Fokus auf deren Bedürfnissen statt auf starren Abläufen liegt, wird auch für die Mitarbeitenden die Arbeit lebendiger und bedeutsamer, so der Tenor unter den Anwesenden am Sitzungstisch. Doch was passiert, wenn ein Anliegen nicht umsetzbar ist? «Gewisse Wünsche lassen sich aufgrund personeller oder finanzieller Ressourcen nicht erfüllen. In solchen Situationen versuchen wir, dem Gegenüber zu signalisieren, dass wir das Bedürfnis ernst nehmen, suchen nach Alternativen und begründen den Entscheid», hält Stephan Oberli fest. Doch es bleibt selten beim Nein: «Die Bewegungsfreiheit in den bestehenden Strukturen ist meist viel grösser als angenommen; etliche Grenzen sind selbstauferlegt und lassen sich verrücken. An uns ist es, den Klientinnen und Klienten laufend neue Übungsfelder zugänglich zu machen.» Eine Flexibilität, auf die auch die nächste Generation pocht: Gerade jüngere Klientinnen und Klienten treten heute selbstbewusster auf und können ihre Anliegen gut artikulieren, so die Erfahrung der Mitarbeitenden. Taten statt Worte Türen öffnen, Angebote schaffen, ermutigen, zuhören: Das Discherheim hat es zur obersten Priorität erklärt, die Klientinnen und Klienten in den Mittelpunkt zu stellen. «Wir sind heute weiter als gestern», bilanziert Stephan Oberli. Um den Vorgaben der UNO BRK in den eigenen Mauern gerecht zu werden, wünscht er sich aber ein noch höheres Tempo und die Bereitschaft des gesamten Personals, neue Erfahrungsräume zu öffnen. «Selbstbestimmung und Partizipation dürfen nicht nur Lippenbekenntnisse sein. Wir alle sind angehalten, neue Wege einzuschlagen.» Ein Votum, das auch auf der letzten Seite des neuen Agogikkonzepts mit einem Zitat von Benjamin Franklin in grossen Lettern Niederschlag gefunden hat: «Gut gemacht ist besser als gut gesagt.» «Es geht darum, Türen zu öffnen und Möglichkeiten zu schaffen, damit unsere Klientinnen und Klienten herausfinden, wer sie sind, was ihnen wichtig ist und wie sie sich entscheiden wollen.» Stephan Oberli, Gesamtleiter Im Fokus
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