ARTISET 03 I 2024 27 Im Fokus Der biografische Ansatz erweist sich in der Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die als Folge schwieriger familiärer oder sozialer Situationen vor grossen Herausforderungen stehen, als wertvoller Katalysator für die Entwicklung der Identität. Organisationen arbeiten zu diesem Zweck mit einer Reihe von Hilfsmitteln, eine wichtige Rolle spielt das Lebensbuch. Von Anne Vallelian Ein Lebens- buch zum Aufbau der Identität «Die Identität eines Menschen entwickelt sich im Laufe seines ganzen Lebens, und seine persönlichen Wurzeln erlauben es ihm, im Erwachsenenalter Tritt zu fassen», schickt Mireille Chervaz Dramé voraus. Sie ist Biografieforscherin und Präsidentin des Vereins Port d’Attache, einer Anlaufstelle für Personen, die mit der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie oder einer sonderpädagogischen Institution zu tun haben. Als Biografieforscherin begleitet sie Erwachsene auf der Suche nach Informationen über ihre Vergangenheit. Im Verein arbeitet Mireille Chervaz Dramé mit verschiedenen neuen Hilfsmitteln, um Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Die oft erschütternden Lebenswege der Kinder sind von Brüchen gekennzeichnet, durch die ihnen für ihre Entwicklung notwendige Informationen nicht zur Verfügung stehen. Ein wertvoller Begleiter bei der Identitätsentwicklung Ein wichtiges Instrument für die persönliche Entwicklung ist das Lebensbuch. Dieses erzählt den Lebensweg des Kindes und hilft ihm, wichtige Momente seines Lebens in Erinnerung zu behalten. Das Lebensbuch wird in Form eines Ordners erstellt und enthält Informationen zu den besuchten Schulen, wichtigen Menschen im Leben des Kindes, Träumen und ersten prägenden Erfahrungen. Die aktive Mitgestaltung des Lebensbuchs durch das Kind ist dabei sehr wichtig. Mireille Chervaz Dramé weist die Pflegefamilien regelmässig auf die wichtige Rolle dieses Instruments in jedem Lebensabschnitt hin. Der Verein Port d’Attache empfiehlt, bereits im frühen Kindesalter ein solches Lebensbuch anzulegen. «Schutz und Unterstützung im Alltag sind entscheidend», betont Mireille Chervaz Dramé, aber auch das Sammeln von Informationen, die im Erwachsenenalter helfen, die Spuren der eigenen Kindheit wiederzufinden und sich darauf aufbauend eine Identität zu bilden. Auch das pädagogische Team der Fondation Delafontaine in Mont-sur- Lausanne führt mit jedem Kind ein Lebensbuch, um seine Entwicklung zu verfolgen. Die Stiftung ist für Menschen mit geistiger Behinderung tätig und betreut Kinder ab vier Jahren, die im Rahmen eines sozialpädagogischen Programms eine von fünf Schulen im Externat besuchen. «Wir müssen uns an den für Kinder mit Behinderungen angepassten Westschweizer Lehrplan halten», erklärt Alexandra Gary,
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