Identität leben und gestalten | Magazin ARTISET | 3 2024

32 ARTISET 03 I 2024 Werde aktiv auf amnesty.ch GESCHÜTZT ALLES IST BESSER ALS MENSCHEN AUF DER FLUCHT Anzeige einordnen. Die Kinder hätten gemerkt, dass die Eltern unter der Vergangenheit litten, und hätten sich für ihre Eltern verantwortlich gefühlt. In vielen Fällen habe eine starke Identifikation mit der elterlichen Geschichte stattgefunden und die Kinder hätten Gefühle von Schuld, Angst und Mitleid verspürt. Es wird also deutlich, dass sich bestimmte Muster innerhalb der Familien fortsetzen. Zudem zeigen sich die Auswirkungen der Erfahrungen der Eltern über die ganze Lebensspanne der Nachkommen hinweg. «Die Töchter und Söhne, die mit uns redeten, befassen sich sowohl in der Kindheit wie auch als Erwachsene mit den Auswirkungen der elterlichen Biografie auf ihre Identität und ihr Leben», sagt Andrea Abraham. Es ist ihr dabei wichtig, zu betonen, dass die Identität keine feste Grösse ist, sondern eine ständige Suche und Entwicklung, die nie abgeschlossen ist. Besonders aufgefallen sei im Lauf der Studie das Verhältnis von Nähe und Distanz zwischen Eltern und Kindern – häufig ins eine oder andere Extrem fallend, entweder zu nahe oder zu distanziert: in Worten, in Taten, in Stimmungen. «Die erste Generation Betroffener erlebte verschiedene Formen von Brüchen, die sich auf ihr Selbstbild auswirkten», so Andrea Abraham. Häufig verinnerlichten sie negative Sätze wie «du bist nichts, du kannst nichts, aus dir wird nichts», die über eine Generation hinweg fortbestehen und prägen. Denn die mit den schwierigen Erfahrungen verbundene Selbstdefinition wirkt sich wiederum im Wechselspiel zwischen Eltern und Kindern auf die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl beider Generationen aus. Soziale Berufe der zweiten Generation Der Umgang der Menschen der zweiten Generation mit ihren spezifischen Erfahrungen ist unterschiedlich, wie Andrea Abraham erläutert. Die zweite Generation wehrt sich auf verschiedene Art und Weise gegen die eigenen negativen Erfahrungen und die Folgen der schwierigen Kindheit ihrer Mutter oder ihres Vaters. Einige verliessen bereits als Minderjährige ihre Herkunftsfamilien und verzichteten auf gewünschte Bildungswege, um früher ausziehen zu können – mit dem Risiko von neuen Belastungen. Einige Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen

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