ARTISET 03 I 2024 39 Von Ranglisten innerhalb eines Kantons oder auf schweizerischer Ebene sei zudem schon allein deshalb abzusehen, «weil aus den ausgewiesenen Prozentzahlen nicht sichtbar wird, ab wann ein signifikanter Unterschied vorliegt». Hierfür seien genauere statische Analysen erforderlich, sagt die Pflegewissenschaftlerin. Erst ein solch «signifikanter Unterschied» sei aber ein Hinweis darauf, dass ein Problem vorliegen könnte oder eben nicht. Hinzu komme, dass die im Bericht verarbeiteten Daten aus dem Jahr 2021 stammten. Die Heime stehen heute womöglich an einem anderen Ort. «Was aber bringt es, Schlussfolgerungen zur aktuellen Qualität zu ziehen, die auf zwei Jahre alten Daten beruhen?», gibt Zúñiga zu bedenken. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Pflegeheime im soeben publizierten Bericht ihre Daten ein erstes Mal im öffentlichen Vergleich einsehen können. Um die Daten der einzelnen Pflegeeinrichtungen einordnen und Rückschlüsse auf die Qualität machen zu können, müsse man die Datenentwicklung über mehrere Jahre hinweg verfolgen. Die veröffentlichten Zahlen zeigen zunächst einfach, wie Franziska Zúñiga unterstreicht, dass die Werte einer Institution höher oder tiefer liegen als jene einer anderen Institution, oder als der Mittelwert des betreffenden Kantons. «Was diese Werte aber im Detail bedeuten, dass muss in einer fundierten Analyse und im Austausch geklärt werden.» Dabei gilt auch zu beachten, dass die Indikatoren spezifische Aspekte der Qualitätserbringung widerspiegeln, jedoch nicht die Gesamtqualität einer Institution. «Können wir jede Situation erklären?» Die Pflegewissenschaftlerin bezeichnet den Bericht als «den ersten Schritt auf einer Reise». «Jetzt geht es darum, dass die Heime, aber auch die Kantone und auch die Verbände auf kantonaler Ebene die Daten in aller Ruhen anschauen, sich fragen, wo sie im Vergleich stehen und in welchen Bereichen sie an ihrer Qualität arbeiten wollen.» Denn: Auch wenn die Zahlen keine eindeutigen Schlüsse zulassen, lohne es sich auf alle Fälle, hinzuschauen. «Wenn eine Institution bei einem Indikator deutlich über dem kantonalen Durchschnittswert liegt, dann ist es sicher sinnvoll, die eigenen Daten zu hinterfragen und nach Erklärungen zu suchen.» Aufgrund ihrer Aufsichtsfunktion könnten zum Beispiel die Kantone mit den Institutionen zusammenkommen und die Daten gemeinsam diskutieren, auch unter Zuzug von Qualitätsexperten und -expertinnen – «und zwar ohne irgendwelche Schuldzuweisungen vorzunehmen». In solchen Diskussionen gehe es darum, die Daten zu erläutern. «Möglicherweise lassen sich Beispiele guter Praxis identifizieren, von denen andere lernen können.» Weiter zeige sich vielleicht, dass gewisse Themen auf kantonaler Ebene angegangen werden müssen. Franziska Zúñiga erwähnt etwa das Thema Polymedikation. Da die Heime zuweilen mit vielen Hausärztinnen und Hausärzten zusammenarbeiten, die für die Verschreibung von Medikamenten verantwortlich sind, können sie diesen Indikator nur bedingt selbst beeinflussen. Die Institutionen seien jetzt gefragt, die Werte jedes einzelnen Indikators im kantonalen Vergleich zu überprüfen – und nach Erklärungen und Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. «Können wir bei jeder Schmerzsituation sagen, was zu der hohen Einschätzung geführt hat, welche weitere Behandlungsoptionen bestehen?», könnte eine mögliche Frage lauten. Entscheidend für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess sei dabei, dass die Institutionen rasch Zugang zu ihren aktuellen Daten erhalten, wie das manche Erhebungsinstrumente erlauben, und dass die Institutionen ihre Daten immer besser analysieren und interpretieren können. In der Kommunikation über die Indikatorwerte mit Bewohnenden und Angehörigen rät die Wissenschaftlerin zu einem proaktiven Vorgehen. «Sie können zum Beispiel eine Informationsveranstaltung organisieren, an der sie den Zweck der Publikation aufzeigen, ihre spezifischen Daten erläutern und festhalten, wo sie Verbesserungsmöglichkeiten orten. Die Grundidee der Indikatoren ist eine datenbasierte Qualitätsverbesserung.» Ein Satz, den die Pflegewissenschaftlerin im Gespräch mehrfach wiederholt. Hier setzt auch das nationale Implementierungsprogramm NIP-Q-Upgrade an, ein Programm, das die eidgenössische Qualitätskommission an die Föderation Artiset mit dem Branchenverband Curaviva und an Senesuisse übertragen hat. Ein zentrales Anliegen des Programms ist die Unterstützung der Pflegeinstitutionen bei der Umsetzung der Qualitätsverbesserung. «Wenn eine Institution bei einem Indikator deutlich über dem kantonalen Durchschnittswert liegt, ist es sicher sinnvoll, die eigenen Daten zu hinterfragen und nach Erklärungen zu suchen.» Franziska Zúñiga, Professorin am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel. Den Bericht des BAG finden Sie hier: Aktuell
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