ARTISET Magazin | 4-5 2022

ARTISET 04/05 I 2022  21 Die schmalen Gänge imUntergeschoss des Pflegeheims Wendelin erinnern an ein Labyrinth. Nur wer sich auskennt, nimmt die richtigen Abzweigungen. Kathrin Fuchs geht zielstrebig durch den Korridor, um an ihren Arbeitsort zu gelangen. Sie betritt die Wäscherei, wo nicht nur die vielen farbigen Klei- der der Bewohnerinnen und Bewohner eine gute Stimmung verbreiten, son- dern auch die Herzlichkeit ihrer Ar- beitskolleginnen. Die 62-Jährige gehört seit dreiein- halb Jahren zum Team der Hauswirt- schaft im Pflegeheim Wendelin. «Ich bin glücklich, dass ich hier arbeiten kann», sagt sie. Ihre Aufgaben sind von Tag zu Tag unterschiedlich und trotz- dem fix eingeplant: AmMontag reinigt sie jeweils die Kisten, in denen die Wä- sche transportiert wird. Am Dienstag gilt es den Korridor im Untergeschoss zu staubsaugen – und so weiter. Jeden Tag fällt etwas anderes an. Am liebsten sortiere sie die Berufswäsche der Pfle- genden, verrät Kathrin Fuchs. Diese Kleider wecken in ihr Gefüh- le und Erinnerungen. «Ich bin gelernte Pflegeassistentin», bemerkt sie. 24 Jah- re lang habe sie in dieser Funktion in einem Pflegeheim gearbeitet. Bis zu jenem Tag, als es plötzlich nicht mehr ging. Positive Erfahrungen ImWendelin, wie man das Pflegeheim in Riehen umgangssprachlich nennt, sind zurzeit acht Personen beschäftigt, die teilleistungsfähig sind. «Sie haben entweder eine psychische oder geistige Beeinträchtigung und sind deshalb nicht zu 100 Prozent arbeitsfähig», sagt Anita Achermann, Leiterin Hauswirt- schaft. Alle betroffenen Mitarbeiten- den würden ergänzend zum Erwerbs- einkommen eine Rente oder Teilrente der Invalidenversicherung (IV) bezie- hen. Arbeit und Team sind wichtig Eine von ihnen ist Kathrin Fuchs. Als sie damals nach jahrelanger Tätigkeit aus dem Arbeitsprozess ausschied, war sie lange arbeitsunfähig. Sie wurde dann von der IV an die Organisation «Kiebitz» in Basel vermittelt, die Men- schen bei der beruflichen Wiederein- gliederung unterstützt. Dort absolvier- te sie ein Arbeitstraining in der Wäscherei und entdeckte dabei ihre Leidenschaft für das Bügeln. «Ich wuss- te sofort: Das will ich!», sagt sie. Da- nach klopfte sie im Wendelin an. Ani- ta Achermann erinnert sich gut daran und freut sich, dass die Zusammenar- beit so positiv verläuft. Erstaunlich sei das indessen überhaupt nicht, findet sie. «Wir beschäftigen in diesem Pfle- geheim seit 35 Jahren Menschen mit Beeinträchtigungen.» Die Erfahrungen, die man mache, seien rundum positiv. Sandra Fischer wird bald ihren 50. Geburtstag feiern. Seit 30 Jahren geht sie als Mitarbeiterin im Wendelin ein und aus. Die Frau mit den roten Haa- ren erklärt, dass sie als Springerin tätig sei. «Ich gehöre zum Team der Reini- gung und bin überall im Einsatz», schildert sie. Vom ersten bis zum vier- ten Stock – und auch die Stationsbüros müssten geputzt werden. Besonders gerne mag sie den Kontakt zu den Be- wohnerinnen und Bewohnern. Manch- mal hilft sie auch beim Frühstücksser- vice aus. «Wenn ich nicht mehr weiss, was die Leute gerne essen, helfen sie mir immer weiter», sagt die Mitarbei- terin. Sandra Fischer hat aufgrund ei- ner kognitiven Beeinträchtigung eine Sonderschule besucht und anschlies­ send in der gleichen Institution eine Ausbildung im Bereich Hauswirtschaft absolviert. Unmittelbar nach dem Ab- schluss konnte sie im PflegeheimWen- delin ihre Arbeitsstelle antreten. Das war 1992. Sie bezieht eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen sowie eine bescheidene Erwerbsentschädigung. «Meine Arbeit und das Team bedeuten mir sehr viel», sagt sie. Und ergänzt: «Wenn ich müde bin, freue ich mich aber auch über den Feierabend.» Die Arbeitsabläufe sind ideal Inklusion in der Arbeitswelt scheint dann geglückt zu sein, wenn aus Mitarbeitenden ein Team von Gleich- berechtigten wird, obwohl sie unter­ schiedliche Hintergründe und Lebens- situationen mitbringen. Im Wendelin ist dieser Prozess ziemlich weit fortge- schritten. Auf die Frage, wie die Jobs für Menschen mit Beeinträchtigung benannt werden, folgt die Antwort Im Pflegeheim Wendelin geben sich seit 35 Jahren Mitarbeitende mit und ohne Beeinträchtigung die Klinke in die Hand. Diese Personalpolitik sorgt bei allen Beteiligten für Glücksmomente. Und sie zeigt das grosse Potenzial auf, das Pflegeeinrich- tungen bei der Inklusion haben können. Von Monika Bachmann «Ich gehöre zum Team der Reinigung und bin überall im Einsatz.» Sandra Fischer, Mitarbeiterin im Pflegeheim Wendelin

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