ARTISET Magazin | 4-5 2022

24  ARTISET 04/05 I 2022 Im Fokus Es besteht ein Potenzial, noch mehr Menschen mit Beeinträchtigung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu begleiten. Davon ist Beda Meier*, ein Vertreter des ergänzenden Arbeitsmarktes, überzeugt. Heute fehlen aber die dafür nötigen Finanzierungen an der Nahtstelle zwischen den beiden Arbeitsmarkttypen, hält er kritisch fest. Interview: Elisabeth Seifert «Entscheidend ist eine gute Durchlässigkeit» Herr Meier, Menschen mit Behinde- rung sollen in einem offenen, integ- rativen Arbeitsmarkt tätig sein kön- nen, so fordert es die UN-BRK. Ein realistisches Ziel oder reine Utopie? Das ist ein hehres Ziel. Und natürlich müssen wir alles daransetzen, dass Men­ schen mit Beeinträchtigung auf dem all­ gemeinen Arbeitsmarkt eine Anstellung finden und ihren Lebensunterhalt über ein existenzsicherndes Einkommen decken können. Aber wir wissen alle, dass der allgemeine Arbeitsmarkt nicht für alle entsprechende Jobs bereitstellt. Der allge­ meine Arbeitsmarkt stellt hohe Anforde­ rungen an die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden. Er funktioniert nach dem Prinzip Geld für Leistung. Und es gibt eben Menschen, die der allgemeinen Vorstellung, was Leistung ist, nicht ent­ sprechen. Wie offen und integrativ ist der Ar- beitsmarkt in der Schweiz heute für Menschen mit Unterstützungs­ bedarf? Je besser die Konjunktur läuft und je höher die Nachfrage nach Arbeitskräften ist, desto eher gibt es Nischenarbeitsplät­ ze für teilleistungsfähige Menschen. Par­ allel zu den steigenden und abnehmen­ den Arbeitslosenzahlen bestehen mehr oder weniger gute Chancen für Menschen mit Behinderung. Unabhängig davon gibt es aber gemäss unserer Erfahrung immer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Menschen eine Chance geben, obwohl sie nicht voll leistungsfähig sind. Sie sprechen die Erfahrungen an, die Sie beim sozialen Unternehmen Valida machen? In den Produktionsbetrieben der Valida arbeiten rund 200 Erwachsene mit Unterstützungsbedarf. Und jedes Jahr schaffen 10 Prozent, also 20 Mitarbei­ tende, den Übertritt in den offenen Ar­ beitsmarkt. Das sind nicht immer Voll­ zeitübertritte, zum Teil handelt es sich um sogenannt hybride Arbeitsformen: Dabei arbeitet jemand zum Beispiel zwei Tage bei uns und drei Tage im offenen Arbeitsmarkt. Die UN-BRK und die Behinderten- organisationen fordern in einem sehr radikalen Sinn die Integration in den offenen Arbeitsmarkt und die Reduktion der geschützten Werk- stätten. Ihre Meinung? In unserer Welt erfolgt die Existenzsiche­ rung in der Regel über eine Anstellung im offenen Arbeitsmarkt. Dieser erste Arbeitsmarkt ist aber nicht für alle

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