ARTISET Magazin | 4-5 2022
ARTISET 04/05 I 2022 25 Menschen das gelobte Land. Das Ent scheidende ist, dass es eine gute Durch lässigkeit gibt zwischen diesen beiden Arbeitsmarkttypen. Es gibt nicht einfach ein Entweder-oder. Diese Durchlässigkeit ist aber noch längst nicht dort, wo sie sein sollte? Die Arbeitswelt, auch wir als Anbieter von Dienstleistungen für teilleistungs fähige Menschen, müssen alles daranset zen, dass wir eine höhere Durchlässigkeit haben. Die Valida und alle Sozialunter nehmen, mit denen ich im Kontakt stehe, verstehen sich als Chancenbetriebe und setzen sich für mehr Durchlässigkeit ein. Uns sind aber sehr oft die Hände gebun den durch die kantonalen Gesetze. Die kantonalen Gesetzgebungen verhindern die Durchlässigkeit? Aktuell werden quer durch die Schweiz die kantonalen Behindertengesetze über arbeitet. Bei all diesen Revisionen geht es aber vor allem um den Wohnbereich. Mittels neuer Finanzierungsmodelle sol len Menschen mit Unterstützungsbedarf frei entscheiden können, wo und mit wem sie wohnen möchten. Das ist zwei fellos eine wichtige Forderung. Die Frage von Chancen und Rechten im Bereich Arbeit und Tagesstrukturen wird in der Schweiz aber im Moment nicht disku tiert. Was fordern Sie konkret? Es gibt heute für alle Dienstleistungen an der Nahtstelle zwischen dem offenen und dem ergänzenden Arbeitsmarkt keine Finanzierungen. Die Kantone sehen sich einzig zuständig für den sogenannt stati onären Bereich. Wir erhalten also nur Gelder für unsere Plätze in denWerkstät ten, aber keine Finanzierung, um teilleis tungsfähige Mitarbeitende in den ersten Arbeitsmarkt zu begleiten und sie selbst sowie das Arbeitsumfeld dort zu unter stützen. Auf Bundesebene finanziert die IV einige ambulante Dienstleistungen, aber noch zu wenig. Sie kritisieren die strikte Aufteilung in stationäre und ambulante Dienst- leistungen? Wir müssen wegkommen von der Vorstel lung stationär versus ambulant. Finan ziert werden müssen massgeschneiderte Dienstleistungen für Menschen mit Un terstützungsbedarf, die einen Beitrag leisten zur Chancengleichheit. An der Nahtstelle zwischen ergänzendem und erstem Arbeitsmarkt beispielsweise müss ten Dienstleistungen finanziert werden, welche eine gute Durchlässigkeit unter stützen. So wie die Finanzierung jetzt läuft, können Sozialunternehmen eigent- lich gar kein Interesse daran haben, ihre Mitarbeitenden in den offenen Arbeitsmarkt zu begleiten? Das ist richtig. Wenn einer unserer Mit arbeitenden den Übertritt schafft, verlie ren wir Geld. Und dennoch setzen wir alles daran, Mitarbeitende beim Über tritt zu unterstützen, obwohl wir, wie gesagt, dafür keine Finanzierung erhal ten. Aufgrund dieser Situation sind wir gefordert, jedes Jahr deutlich schwarze Zahlen zu schreiben und Reserven aufzu bauen, damit wir Vakanzen überbrü cken können. Und wenn die Nachfrage da ist, bieten wir neuen Mitarbeitenden in unseren Produktionsbetrieben natür lich eine Stelle an. Beda Meier, Direktor des Sozialunternehmens Valida in St.Gallen, an einem der Produktions- standorte: Jedes Jahr schaffen 10 Prozent der Mitarbeitenden den Übertritt in den allgemei- nen Arbeitsmarkt. Foto: Valida
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQzMjY=